© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/08 10. Oktober 2008

Jubel für die Rote Armee
Baader-Meinhof-Komplex: Linksextremisten terrorisieren Kinogäste
Markus Schleusener

An dem seit zwei Wochen im Kino laufenden Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" scheiden sich die Geister. Eine Ansicht darüber lautet wie folgt: In dem RAF-Film feiere das System seinen "endgültigen Triumph über diejenigen, die ihren wahnhaften Kampf als Revolutionsversuch gegen ebenjenes System verstanden haben". Es werde interessant sein zu sehen, wie sich die in Erinnerungen schwelgenden  RAF-Versteher verhalten, die mit ihrem Kinobesuch das "Schweinesystem" mitfinanzieren, "das ihre radikalsten Kämpfer überwinden wollten und das sich jetzt an ihnen mästet". Wenn sie konsequent wären, müßten sie eigentlich draußen bleiben, Stinkbomben in die Kinosäle werfen oder die Filmprojektoren zertrümmern. So stand es bei Spiegel online zu lesen.

Berlin, vor einer Woche am Dienstagabend, 20.15 Uhr, in einer ganz normalen Filmvorführung im Colosseum (Stadtteil Prenzlauer Berg): Gleich zu Beginn verlassen die ersten Gäste das Kino wieder, weil die Zahl erkennbar linksradikaler Chaoten bedenklich steigt und steigt. Sie haben sich Schnurrbärte angeklebt, um wie Andreas Baader auszusehen. Und sie sind laut und machen aus ihrer Sympathie für die RAF keinen Hehl. "Das ist die 20. Generation, glaube ich", sagt einer der frustrierten Kinogäste, die zu Beginn das Weite suchen.

Eine Viertelstunde nach Beginn der Veranstaltung weigert sich der Kartenverkäufer, weitere Besucher in den Saal zu lassen. Gäste, die herauskommen, erhalten ihr Geld zurück. Ein jüngerer Berliner berichtet: "Im Werbeblock vor Filmbeginn wurde eine Vorschau gezeigt, in der es um einen Film geht, in dem die Rote Armee 1945 in Berlin einmarschiert. Bei den Bildern haben sie laut geklatscht und gejubelt."

Immer mehr Gäste verlassen den Saal, sind genervt vom Krach, den Parolen. "Wir konnten der Handlung nicht folgen, weil genau vor uns eine Reihe mit denen besetzt war", sagt eine junge Frau. Und wer sind die? "Das waren so zwanzig bis dreißig Chaoten, die sind voll auf Streß aus. Oben saßen noch welche von der Sorte." Aber die Veranstaltung geht weiter.

Insgesamt also etwa fünfzig "RAF-Versteher", die sich im Kinosaal befinden. Es kommt die Stelle, an der Andreas Baader, dem selbst gerade ein Auto geklaut wurde, sagt: "Dann klauen wir eben noch zwei oder drei Autos." Im Saal wird geklatscht. So geschieht es immer wieder, etwa wenn Baader einem PLO-Mann erklärt: "Ficken und Schießen sind ein Ding."

Nachdem eine RAF-Frau erschossen wird, erklären die Terroristen: "Wir müssen Polizeidienststellen in die Luft jagen." Der Rest geht im Jubel unter, als tatsächlich Bomben explodieren, US-Kasernen 1972 angegriffen werden. Und selbst als die Ehefrau eines Richters bei einem Bombenattentat ums Leben kommt, wird im Kino laut geklatscht. Weitere Gäste verlassen den Saal, lassen sich vom überforderten Kassenpersonal das Geld wiedergeben.

Dann erneut Jubel bei der Szene, als im Springer-Verlag eine Bombe explodiert. Nach der Szene mit dem toten Holger Meins brüllt jemand: "Hurensohn", als ein Polizist auf der Leinwand erscheint. Als nächstes wird im Film der Berliner Kammergerichtspräsident erschossen, "zur Rechenschaft gezogen", wie die Baader-Meinhof-Bande erklärt. Wieder Jubel, Klatschen, Gejohle. Niemand schreitet ein.

Genau in der Mitte des Kinosaals kommt es zur Eskalation. Ein Mann um die vierzig und ein RAF-Sympathisant geraten in Streit, weil der Zuschauer um Ruhe bittet. "Halt die Fresse." "Faß mich noch mal an, Alter."

Dann skandieren die Linksextremisten: "Nie, nie, nie wieder Deutschland". Die breite Masse der Zuschauer wirkt geschockt. Die beiden Leute aus der Mitte des Kinosaals geraten abermals in Streit. Plötzlich haut einer auf den vierzigjährigen Mann ein, zieht ihm eine Bierflasche über den Schädel. Er blutet. Der Mann schlägt zurück. Sofort springen weitere Störer hinzu. Einer trägt einen Aufnäher an der Hose, auf dem "Smash the System" (Zerschlagt das System) steht. Anwesende, die beschwichtigend einschreiten wollen, werden mit Gewalt beiseite gedrückt. Andere verlassen fluchtartig den Kinosaal, lassen sogar Kleider, Taschen zurück. Panik macht sich breit. Unten rufen die Kino-Angestellten jetzt doch die Polizei.

Ein etwa dreißigjähriger Mann (schwarze Jacke, schwarzes T-Shirt, Aufdruck: Roter Stern und RAF-Symbol) verbietet einem anderen Kinogast das Fotografieren: "Das ist Denunziantentum, Alter. Hör sofort auf damit. Der Kerl hat es verdient." Beweisfotos unerwünscht.

Die Lage beruhigt sich dann bis zum Ende des Films. Die inzwischen eingetroffene Polizei verhält sich abwartend. Als die Gäste kurz vor Mitternacht den Saal verlassen, kann nur das massive Polizeiaufgebot die Antifa-Truppe davon abhalten, den Mann zu vermöbeln. Der flüchtet völlig entnervt. "Nur raus hier", sagt er.

Die Pressestelle der Polizei sagt um 0.01 Uhr über den Polizeieinsatz: Keine Auskunft. Alles sei ruhig verlaufen. - Die Kinogäste haben es anders erlebt.

Foto: Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim: Fanveranstaltung

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