© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Frisch gepresst

Ribbentrop. Über den "RAM", Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop, glaubt man alles zu wissen. Endlos ist die Zahl der Memoirenschreiber, die auf seine angebliche Desinformation über die mangelnde Kriegsbereitschaft des "dekadenten" England zurückführen, daß Adolf Hitler am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg "entfesselte". Die plastischen Erinnerungen seines Londoner Sekretärs Reinhard Spitzy ("So haben wir das Reich verspielt", 1988) taten ein übriges, um Ribbentrop auch menschlich vollends "unmöglich" zu machen. Sein Sohn Rudolf, Jahrgang 1921, verfährt daher zwangläufig nach der Devise des Konfuzius: "Wo alle tadeln, muß man prüfen" (Mein Vater Joachim von Ribbentrop. Erlebnisse und Erinnerungen. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 496 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro). Herausgekommen ist, was sich nicht leichthin als "Apologetik" abtun läßt. Mit beachtlichen Argumenten legt der Sohn nahe, daß der Botschafter und Außenminister seinen Dienstherrn über die Kampfbereitschaft der britischen Führungselite nie im unklaren ließ. Daß er ein erklärter Gegner des Angriffs auf die Sowjetunion war. Daß er von Deportationen westeuropäischer Juden wußte, nichts aber von der "Endlösung". Daß vielleicht diese "Endlösung" seit Herbst 1941 die vom RAM vorgeschlagenen Friedensverhandlungen zumindest mit den Angelsachsen illusorisch machte, wird indes hier nicht reflektiert. Diskutabel erscheinen indes die Ausführungen über die "Kriegsschuld des Widerstands", die tragende Rolle Roosevelts in der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs und die scharfsinnige Analyse des "Führerstaates", der über kein "effizientes Managementsystem" verfügt habe. Dieses Werk ist für ein freies Wochenende aufzusparen, denn bevor man die letzte Seite erreicht hat, legt man es schwerlich aus der Hand.

Kaiser Ferdinand. Bereits auf den ersten Seiten seiner Biographie des habsburgischen Kaisers Ferdinand III. vermittelt der Wiener Historiker Lothar Höbelt den Eindruck, er wolle es mit Golo Manns "Wallenstein" aufnehmen. Wieder einer von denen, die während des Dreißigjährigen Krieges ein großes Rad gedreht haben, wieder das Bemühen des Biographen, seinen Helden prononciert literarisch zu vermitteln, wobei Höbelt nicht einmal davor zurückscheut, Neologismen wie "Wellness-Potential", "Jamaika-Koalition" oder "Supermächte" einzusprenkeln. Immerhin ist die Arbeit nur halb so dick wie Manns "Wallenstein", obwohl auch Höbelt ein "Epochengemälde" zu geben versucht, also neben der klassischen Erzählung vom Ringen der "großen Mächte", die allerdings dominiert, auch die Kulturhistorie streift (Ferdinand III. 1608-1657. Friedenskaiser wider Willen. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 488 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro).

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