© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/08 24. Oktober 2008

Ruch des Systemwandels
Europäische Finanz-Rettungspläne: Deutschland sollte sich distanzieren
Menno Aden

Deutschland hat ganz recht, sich von den Rettungsplänen zu distanzieren, welche die europäischen Regierungen in den letzten Tagen entworfen haben, um ihre jeweiligen Banksysteme vor dem Zusammenbruch zu retten. Es kann sein, daß Deutschland noch einige Bankenzusammenbrüche erleben wird, aber ein europäischer Rettungsplan würde nur bedeuten, daß die deutschen Steuerzahler die Rechnung dafür bezahlen, daß andere verantwortungslos Kredite gegeben oder genommen haben." Was so klar im Wall Street Journal unter dem Titel "Germany stands aloof" zu lesen war, hat die Bundesregierung wohl nicht gelesen. Vielmehr  hat sie mit allen Zeichen höchster Hast ein Sofortpaket zu Bankenrettung beschlossen. Dieses Paket sei, so die Bundeskanzlerin, "alternativlos", und Finanzminister Eichel will "die Brandstifter" zur "Verantwortung ziehen". Der SPD-Abgeordnete Schneider jubelte, das sei das Ende der entfesselten Markkräfte, die Rückkehr des Staates in die Politik: Der Staat, so Merkel, sei die einzige Instanz, um das Vertrauen zwischen den Banken wiederherzustellen. Alle loben das Erreichte. Niemand widerspricht?

Von welcher Krise ist hier eigentlich die Rede? In den USA ist allerdings die Hölle los, in London auch. Wir sind daher so dankbar, daß Premierminister Gordon Brown als europäischer Krisenmanager zur Verfügung steht. Die Volumina des Bankenplatzes London waren der Stolz Großbritanniens. Brown kennt Immobilienblasen. Bei uns gab und gibt es keine. Wir freuen uns also auf seine Ratschläge, in Deutschland eine Krise zu bewältigen, die wir gar nicht haben. Sarkozy wird seine Erfahrungen mit einem völlig verrotteten Staatshaushalt einbringen.

Der Vorstandsvorsitzende der Münchener Rückversicherungsgesellschaft sagt: "Die Versicherungsunternehmen in Deutschland werden gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen und sogar von ihr profitieren." Auch die Kreditwirtschaft ist nicht in Gefahr!

Welche Banken sollen nun gerettet werden? "Wir Banker haben die Krise selbst verschuldet", so der Chef der WestLB. Damit kann er aber nur die in (un-)mittelbaren Staatsbesitz befindlichen Banken meinen wie die SachsenLB oder die WestLB. Was mußte diese gesetzwidrig rund um den Erdball herumspielen? Steinbrück, als er noch in Düsseldorf saß, hat das mitverantwortet. Wen meint er also, wenn von Brandstiftern spricht? Aber die Kanzlerin meint, der Staat könne verlorenes Vertrauen wieder herstellen. Merkwürdig! Dazu Hans Olaf Henkel sehr richtig: "Der größte Verlierer der Krise ist die Wahrheit."

Die Finanzkrise geht uns nur an, insofern wir Teil der Weltwirtschaft sind. Unser Bankensystem ist gesund. Wir brauchen keine Rettungspakete! Unser Bankensystem ruht, wie auch das Wall Street Journal bemerkt, hauptsächlich auf den traditionell risikobewußten Sparkassen. Diese sind offensichtlich völlig gesund! Anglo-amerikanische Bankleute haben uns Deutsche dafür belächelt, was für uns Deutsche Grund genug war, emsig an der Amerikanisierung unseres Systems zu arbeiten. Das ist weltweit einzigartig. Die zweite Säule des Systems sind Genossenschaftsbanken (Raiffeisen- und Volksbanken). Die etwa 1.100 Genossenschaftsbanken haben ihr Geld ebenfalls noch. Diese Gruppen stellen gut 70 Prozent der deutschen Kreditwirtschaft dar.

Wenn daher die Deutsche Bank oder die Commerzbank in die Insolvenz gingen, wäre das industriepolitisch zwar schlimm, doch die Kreditwirtschaft wäre dadurch kaum berührt. Aber nichts spricht dafür, daß diese dritte Säule unseres Systems das Rettungspaket nötig hat. Im Gegenteil verlautet: Wir werden es nicht in Anspruch nehmen!

Welches Problem soll also mit diesem Rettungspaket gelöst werden? Was muß sich unsere Bundeskanzlerin in einem französischen Dorf am Grabe de Gaulles in einer gefühlvollen Geste mit dem französischen Präsidenten fotografieren lassen, als ginge es um das Schicksal Deutschlands? Es drängt sich wieder einmal der Verdacht auf, daß Deutschland zwar wirtschaftlich stark, politisch jedoch etwas dumm ist.

Ein wirkliches Problem wird aber mit diesem Paket geschaffen: Die linken Kräfte in SPD und CDU sehen ihre Stunde. Der Staat kann alles besser, so lautet der Hauptsatz dieser säkularisierten Religion, wie Schumpeter den Sozialismus nannte. Der Sozialismus soll offenbar noch einmal geübt werden, auch wenn er jetzt nicht mehr so heißt. Man hatte schon geglaubt, dieser Unfug sei überwunden. Was aber jetzt als Rettungspaket diskutiert wird, (Teil-)Verstaatlichung von Banken, Eingriffe in deren Geschäftspolitik, wirkt wie der Beginn eines Systemwandels.

Dieses Rettungspaket, diese Vorhersage sei gewagt, wird wenig oder nichts bewirken. Die Schuld daran wird dann den Banken gegeben werden, die einfach keine Kredite geben wollen. Dann wird es Rufe nach Gesetzen geben. Diese bewirken auch nichts, Überwachungsbürokratie wird entstehen. Friedrich von Hayeks Weg in die Knechtschaft schien verschüttet; er wird aber, so sieht es aus, derzeit wieder freigeschaufelt. Wir Deutschen hatten mit dem bisherigen Wirtschaftssystem gewaltigen Erfolg. Wenn wir den Weg des Sozialismus wirklich gehen wollen - was soll man dann noch für uns hoffen?

 

Prof. Dr. Menno Aden ist Vorsitzender der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG).

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