© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/08 24. Oktober 2008

Frisch gepresst

Tirpitz. Der Kieler Zeithistoriker Michael Salewski liebt es, auch nach seiner Emeritierung in den Gazetten seine Deutungshoheit über die deutsche Marinepolitik seit 1848 zu behaupten. In solcher Tagesware ist der Part des Erzschurken regelmäßig für den Großadmiral Alfred von Tirpitz reserviert, der mit seiner Flottenrüstung angeblich das Britische Empire provoziert, damit den Ersten Weltkrieg mitausgelöst und dann mit der "aberwitzigen" Strategie des "uneingeschränkten U-Bootkriegs" auch noch den Kriegseintritt der USA 1917 auf dem Kerbholz habe. Ganz in Salewskis Sinne weigert sich auch der jüngere Marinehistoriker Michael Epkenhans, ein "positives Urteil" über den "Vater der Flotte" zu fällen. Da kommt eine Neuauflage der mit großem Abstand besten, der gründlichsten und volkspädagogisch nicht verengten Tirpitz-Biographie als Gegengewicht gerade recht. Der Generalleutnant a. D. Franz Uhle-Wettler hat seine 1998 veröffentlichte, gleichwohl inzwischen auch antiquarisch seltene Arbeit, die Epkenhans damals beinahe mit einem Anflug von Panik rezensierte (Historische Zeitschrift, Bd. 270/2000), in einer zweiten Auflage herausgebracht. Er reagiert darin auch auf die Tirpitz-Literatur der letzten Jahre, deren Ergebnisse die zentralen Thesen Uhle-Wettlers aber nicht zu erschüttern vermochten (Alfred von Tirpitz in seiner Zeit. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 559 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro).

 

Bankenkrise. "Die Finanzmarktkrise ist vor allem ein amerikanisches Problem", erklärte Finanzminister Peer Steinbrück am 25. September in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Doch zu diesem Zeitpunkt war längst klar, daß sie auch ein deutsches Problem ist. Einer der wenigen frühen Mahner vor dem Crash ist Wolfgang Köhler, der lange vor dem Platzen der New-Economy-Blase vor den Verrücktheiten des Neuen Marktes warnte. In seinem brandaktuellen Buch "Wall Street Panik - Banken außer Kontrolle: Wie Kredithaie die Weltkonjunktur ins Wanken bringen" (Mankau Verlag, Murnau 2008, gebunden, 206 Seiten, 18,95 Euro) schildert der ehemalige Wirtschaftswoche- und Zeit-Journalist, wie US-Bürger trotz prekärer Einkommensverhältnisse von gerissenen Maklern und Finanzjongleuren zum Eigenheimkauf überredet wurden. In einer auch für Laien verständlichen Sprache erklärt er, warum der Subprime-Markt solch gigantische Ausmaße annehmen konnte. Daß nun in der Krise wieder nach der rettenden Hand des Staates gerufen wird, überrascht Köhler nicht. Denn schon der 1796 verstorbene deutsche Universalgelehrte Johann Georg Krünitz wußte: "Das erste und hauptsächlichste Mittel zur Aufrechterhaltung des besonderen und allgemeinen Credits sind wohl ohne Zweifel gute Gesetze."

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