© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/08 07. November 2008

Frisch gepresst

Frankfurter Schule. Die Berliner Soziologin Eva-Marie Ziege hätte eigentlich mit Johannes B. Kerner satt selbstzufrieden bilanzieren können: "Toll, ich habe alles richtig gemacht." Denn noch während des Studiums setzte sie auf "Gender" und auf die Erforschung "jüdischer Ideengeschichte". Nun lehrt Ziege in Bill Gates' Heimatstadt Seattle. Mit Richard Faber (FU Berlin), der sich seit dreißig Jahren am "Romkomplex" abarbeitet, den er in Preußen, bei Carl Schmitt und vielleicht auch schon an sich selbst psychotherapiert hat, gibt Ziege nun einen Sammelband über "Das Feld der Frankfurter Kultur- und Sozialwissenschaft vor 1945" heraus, dem das Werk für die Zeit danach, als vom remigrierten Frankfurter Institut für Sozialforschung die "intellektuelle Gründung" der Bonner Republik ins Werk gesetzt worden sein soll, kurz darauf folgte. Nach dessen eingehendem Studium könnte einem einfallen, wie recht doch Karl Valentin mit seiner tiefsinnigen Bemerkung hatte, es sei schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem. So erfahren wir in diesem Band von einem Dutzend Beiträger, was man bei Rolf Wiggershaus oder Michael Jay schon vor 25 Jahren über Adorno&Co. nachlesen durfte. Frau Ziege ist übrigens mit einem Aufsatz mit dem schönen Titel "Die Geschlechterthematik in der Zeitschrift für Sozialforschung/Studies in Philosophy and Social Science 1932-1941" vertreten (Königshausen&Neumann, Würzburg 2008, broschiert, 249 Seiten, 29,80 Euro).

 

Selbstbestimmung. Die vom US-Präsidenten Woodrow Wilson im Januar 1918 in seinen berühmt-berüchtigten "14 Punkten" in die völkerrechtliche Diskussion eingebrachte Idee der nationalen "Selbstbestimmung" hat vor allem in "Zwischeneuropa" zwischen Ostsee und Mittelmeer revolutionierend gewirkt. Unter Berufung auf "Selbstbestimmung" konstituierten sich 1918/19 ein Dutzend "Völker", die bis dahin unter dem Dach der monarchischen Reiche der Hohenzollern, Habsburger und Romanovs lebten, als souveräne Nationalstaaten. Allein den Deutschen, vor allem denen Österreichs, blieb das "Recht" auf Selbstbestimmung versagt. Tatsächlich ist aus Wilsons Idee nach 1918 auch kein positives Völkerrecht geworden. Einen juristisch verwertbaren Niederschlag fand sie nur im "Minderheitenrecht". Wie deutsche und österreichische Völkerrechtler auf dieses Folgeproblem des Versailler "Unrechtsfriedens" reagieren, dies nachzuzeichnen hat sich Leander Palleit in seiner schlanken, betont wissenschaftshistorisch konzipierten Dissertation angelegen sein lassen (Völkerrecht und Selbstbestimmung. Zum Begriff des Selbstbestimmungsrechts der Völker in der deutschen und österreichischen Völkerrechtswissenschaft 1918-1933, Nomos Verlag, Baden-Baden 2008, broschiert, 117 Seiten, 28 Euro).

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