© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/08 14. November 2008

Glückssymbol
Politische Zeichenlehre LXI: Davidstern
Karlheinz Weissmann

Verglichen mit den Feierlichkeiten im Mai zum 60. Gründungstag des Staates Israel wird der in diesen Tagen sich ebenfalls jährenden Stiftung der israelischen Nationalflagge mit dem blauen Davidstern kaum Aufmerksamkeit entgegengebracht. Der Davidstern ist eine Variante des Hexagramms, jenes sechszackigen Sterns, der als Glückssymbol seit unvordenklicher Zeit Ansehen genießt wie das Pentagramm oder andere Stern-Zeichen. Sein Name "Davidstern" geht auf die Annahme zurück, daß der israelitische König David - der Schöpfer eines Großreichs und bedeutendste antike König Israels - dieses Symbol als eine Art Wappen verwendet habe. Daher rührt auch die Bezeichnung als "Schild Davids" (gemeint ist metaphorisch Gott; hebr. Magen David).

Belege für die Verwendung des Davidsterns durch Juden gibt es aber erst aus der Zeit ihres letzten großen Aufstands gegen die römischen Besatzer, unter dem "Sternensohn" Bar Kochba; verschiedene Münzen, die er schlagen ließ, zeigen die Front des Tempels in Jerusalem, darüber eine Rosette, die man mit einigem Wohlwollen als Davidstern interpretieren kann. Aber wenn die Absicht bestanden haben soll, auf diese Weise den Davidstern zum nationalen jüdischen Symbol zu machen, ist sie gescheitert. Nach dem katastrophalen Zusammenbruch von Bar Kochbas Rebellion verschwand das Zeichen aus der Reihe der von Juden bevorzugt verwendeten Symbole. Erst in der kabbalistischen Tradition des Mittelalters tauchte das Hexagramm vermehrt auf und fand sich in zahlreichen Buchillustrationen, ornamentalem Schmuckwerk oder als Amulett.

Ein besonderes Zentrum der jüdischen Mystik war Prag, und auffälligerweise hat sich der Davidstern hier relativ rasch zum Symbol der jüdischen Gemeinde entwickelt. Belegt ist die Existenz einer Fahne mit dem Davidstern aus dem Jahr 1356, erhalten ist eine andere aus dem Jahr 1716, die einen Davidstern zeigt, der einen "Judenhut" umschließt; auch Gemeindesiegel mit dem Davidstern sind nachweisbar.

Außerdem wurde der Davidstern auf zahlreichen weltlichen und religiösen Geräten der Prager Juden angebracht; besonders auffällig ist die Verbreitung als Druckermarke. Seit dem 17. Jahrhundert läßt sich ähnliches in bezug auf die Juden von Wien sagen, was dafür spricht, daß das Symbol von Prag aus hierher übernommen wurde.

Diese Entwicklung erklärt ausreichend, wie der Davidstern zum Symbol der jüdischen Gemeinschaft als solcher werden konnte. Denn die österreichische Monarchie beziehungsweise der hier verbreitete Antisemitismus bildeten den eigentlichen Nährboden für den "Zionismus", jene jüdische Nationalbewegung, die durch den Wiener Journalisten Theodor Herzl geschaffen wurde. Als 1897 der erste Zionistische Kongreß in Basel zusammentrat, war der Davidstern im deutschen Sprachraum und in Osteuropa als jüdisches Symbol bereits ausgesprochen populär; ähnliches gilt für die USA, wohin er mit Auswanderern aus der alten Welt gekommen war. Die Abgeordneten der Versammlung trugen ein weiß-blaues Emblem mit dem Davidstern, und vor dem Tagungsgebäude wehte eine weiße mit blauen Streifen versehene Fahne. Beide Symbole wurden allerdings erst ein Jahr später miteinander vereinigt zu einer weißen Flagge, die in der Mitte den blauen Davidstern zeigte, begrenzt von zwei schmalen blauen Streifen.

Herzl selbst hat sich lange gegen diese Symbolik gewehrt und versucht, das von ihm ausdrücklich so genannte "Flaggenproblem" der jungen zionistischen Bewegung zugunsten seines eigenen Entwurfs zu lösen: Ein aufgerichteter Löwe - als Reminiszenz an den "Löwen von Juda", ein traditionelles Symbol jüdischer Staatlichkeit - in einem Davidstern, in dessen Ecken kleinere Sterne und darüber ein weiterer siebenter Stern. Herzls Vorbehalt galt vor allem der aus dem jüdischen Gebetsumhang abgeleiteten Farbgebung der Flagge des Kongresses, da er den Zionismus ausdrücklich als säkulare Weltanschauung verstanden wissen wollte. Durchgesetzt hat er sich damit aber nicht und seinen religiös-nationalen Verbündeten in einer Weise nachgegeben, die für die ganze Entwicklung des Zionismus bestimmend sein sollte.

Offiziell wurde die Fahne mit dem Davidstern erst 1933 auf dem 18. Kongreß der Zionistischen Bewegung anerkannt. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als sich das Judentum in einer äußerst gefährdeten Situation befand, in deren Konsequenz der moderne Staat Israel gegründet wurde. Am 12. November 1948 trat ein Gesetz in Kraft, mit dem dieser die Flagge annahm, die genau dem Muster der zionistischen mit dem Davidstern entsprach.

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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