© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/08 21. November 2008

Aufgeschnappt
Weihnachtsrummel
Matthias Bäkermann

Vielerorts sind die Advents- oder Weihnachtsmärkte bereits aufgebaut, doch selbst in der fortgeschritten säkularisierten Hauptstadt hält man sich mit der offiziellen Eröffnung noch verschämt bis "nach dem Ewigkeitssonntag" zurück, wie Stefan Liebrechts vom Straßen- und Grünflächenamt Berlin Mitte im Tagesspiegel eingesteht.

Am Weddinger Gesundbrunnencenter allerdings drehen sich schon seit einer Woche die Karussells, was von Amts wegen nicht zu verhindern ist, da der Bezirk für den dortigen Hanne-Sobek-Platz nicht zuständig ist. Der gehört der Bahn, und Beklan Koşkun, der türkische Betreiber des dortigen, deutschlandweit größten "DB Service-Store", ist auch für den "Weihnachtsmarkt" verantwortlich. Dieser verbreitet allerdings genausoviel Adventstimmung wie der beim Discounter im September drapierte Lebkuchen. Arabisch aussehende Jungs aus diesem Berliner "Kiez mit hohem Migrantenanteil" belagern musikdröhnende Autoscooter. Die kitschige Santa-Claus-Dekoration unterstreicht beinahe sogar noch den Rummel-Charakter. Gegen diese verfrühte Adventseligkeit regt sich jedoch Protest: "So ein früher Weihnachtsmarkt hat mit Weihnachten nichts zu tun", findet Stefan Förner, Sprecher des katholischen Erzbistums Berlin. Selbst der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber mahnt an, die Besinnlichkeit des Novembers zu achten. Koşkun verweist allerdings darauf, daß gerade von den Anwohnern, die "ohnehin keiner christlichen Kirche angehören", immer wieder auf einen früheren Beginn gedrungen wurde. Der Restbevölkerung komme man aber großzügig entgegen: Am Volkstrauertag und am Totensonntag hat der Rummel Pause.

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