© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/08 21. November 2008

Gestern noch eine Heldin
Urteil: Im Hakenkreuz-Fall von Mittweida ist das angebliche Opfer wegen der Vortäuschung einer Straftat zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden
Hinrich Rohbohm

Fast genau ein Jahr ist es her, daß Rebecca K. als Heldin gefeiert worden war. Heute steht sie als Lügnerin da. Vorerst. Das Amtsgericht Hainichen verurteilte die 18jährige wegen des Vortäuschens einer Straftat zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Jugendrichterin Anne Mertens sah es als erwiesen an, daß die angeblich Geschädigte nicht von Neonazis in Mittweida attackiert wurde, sondern sich selbst ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt hatte.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. "Ich werde mir überlegen, ob ich in Berufung oder Revision gehe", kündigte Rebeccas Verteidiger Axel Schweppe gegenüber der JUNGEN FREIHEIT an. Das Urteil sei auf der Grundlage von Indizien gefällt worden, so der Rechtsanwalt. Zudem habe es einen anonymen Brief gegeben, in dem der von K. geschilderte Vorfall bestätigt worden sei. Während Schweppe für seine Mandantin auf Freispruch plädierte, hatte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel in seinem Plädoyer 100 Stunden gemeinnützige Arbeit für die Angeklagte gefordert. Die Anklage berief sich dabei vor allem auf die Angaben eines Rechtsmediziners, der aus der Art der Verletzung geschlossen hatte, daß sich Rebecca K. das Hakenkreuz selbst in den Körper geritzt habe. Die Angeklagte bestreitet den Vorwurf. 

Die zum Zeitpunkt des angeblichen Vorfalls noch minderjährige K. hatte am 12. November bei der Polizei angegeben, sie sei neun Tage zuvor in Mittweida von Neonazis angegriffen worden, als sie einem fünf Jahre alten Aussiedlermädchen zu Hilfe gekommen sei. Das kleine Mädchen sei nach Aussage von K. von den Neonazis attackiert worden. Vier angeblich in Bomberjacken gekleidete Skinheads hätten ihr anschließend auf einem Parkplatz ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt. Zeugen sollen auf Balkonen gestanden und nichts unternommen haben.

Die Polizei hatte deshalb zunächst wegen einer rechtextremistischen Tat ermittelt. Weil sich aber selbst nach Aussetzung einer Belohnung weder Zeugen zu dem Vorfall meldeten noch das von K. beschriebene Aussiedlerkind ausfindig gemacht werden konnte, kamen bei der Staatsanwaltschaft Zweifel auf. Zudem wies ein rechtsmedizinisches Gutachten darauf hin, daß K. sich das Hakenkreuz auch selbst in die Haut eingeritzt haben könnte. Zuvor war die Beschuldigte bereits in der Öffentlichkeit als Heldin gefeiert worden. Ohne zunächst die Ermittlungsergebnisse abzuwarten, hatte das vom Bundesinnenministerium und dem Bundesjustizministerium gegründete Bündnis für Demokratie und Toleranz Rebecca K. mit seinem Zivilcourage-Ehrenpreis ausgezeichnet.

Und auch nach dem Urteil hält das Bündnis an der Preisträgerin fest. "Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, daher bleibt alles, wie es ist", sagt Bündnis-Pressesprecher Dennis Meiser. Ob es eine Aberkennung des Preises geben werde, sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, sei noch nicht entschieden. Beiratsmitglied Cornelie Sonntag-Wolgast: "Ich halte das für einen einmaligen Fall, so etwas wird uns nicht wieder passieren." Die SPD-Politikerin räumt jedoch ein, daß es "Stimmen im Beirat" gab,  die gemahnt hätten, erst die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft abzuwarten.

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