© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Konjunkturprogramm für Dieselautos
Kfz-Steuer: Reformkonzept des BUND einseitig auf den CO2-Ausstoß fixiert / Andere Schadstoffe ignoriert
Tobias Schmidt

Seit Jahren beißt sich die Politik an einer Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer die Zähne aus. Die erste Reform von 1985 führte zunächst drei Schadstoffgruppen ein. Die Ertragshoheit der Kfz-Steuer blieb aber bei den Ländern, die Regelungskompetenz beim Bund. Das 2007 bekanntgewordene Reformkonzept von Finanz- und Verkehrsministerium, das statt dem Hubraum den theoretischen CO2-Ausstoß zur Berechnungsgrundlage machen wollte, ist vorerst auf 2011 vertagt. Um den wegen der Weltfinanzkrise eingebrochenen Autoabsatz anzukurbeln, hat die Bundesregierung nun die Kfz-Steuer für Neuzulassungen bis 30. Juni 2009 ausgesetzt - vorausgesetzt die Fahrzeuge erfüllen die Euro-Normen 5 oder 6.

Das hat bei Umweltverbänden wie dem BUND, Greenpeace, Nabu oder WWF heftige Kritik ausgelöst. "Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind kontraproduktiv sowohl für den Klimaschutz als auch für eine zukunftsweisende Konjunkturpolitik", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Dadurch würden die Käufer eines Kleinwagens mit Euro-5-Norm beispielsweise 135 Euro Steuern sparen, die Käufer von Luxus-Geländewagen hingegen zirka 1.850 Euro. Der BUND fordert daher in seinem Alternativkonzept eine Steuerfreiheit für Neuwagen, deren Kohlendioxid-Ausstoß unter 100 Gramm CO2 pro Kilometer (g/km) liegt. Ab Zulassungsdatum 2009 sollten Fahrzeuge, deren Emissionen darüber liegen, mit stufenweise erhöhten Steuersätzen belastet werden.

Der Umweltverband verweist auf den Koalitionsvertrag von 2005 und auf Forderungen der EU-Kommission, bis 2012 bei Neuwagen die CO2-Emissionen auf 120 g/km zu senken. Das entspricht einem Verbrauch von etwa 5,2 Litern Benzin und 4,5 Litern Diesel auf 100 Kilometer. Derzeit stoßen die Neuwagen EU-weit im Schnitt 160 g/km aus (6,9 Liter Benzin/6,1 Liter Diesel). Da der EU-Testzyklus wenig praxisnah ist, sind es oft bis zu 20 Prozent mehr.

Einheitlicher Steuersatz für Diesel und Benzin

Doch auch der Lösungsansatz des BUND ist von Widersprüchen geprägt. Gleichzeitig soll der Energiesteuersatz für Dieselkraftstoff dem des Benzins angeglichen werden. Mit 47,04 Cent pro Liter liegt er momentan um 18,41 Cent unter dem von 65,45 Cent für Benzin. Doch konsequenterweise müßte der Dieselsteuersatz (wegen des höheren Kohlenstoffanteils) sogar um 13 Prozent darüber liegen. Bezogen auf die aktuellen Spritpreise wäre BUND-Diesel an der Zapfsäule etwa 15 Cent teurer als Benzin - und beim Speditions- und Taxigewerbe sowie Berufspendlern für einen Aufstand sorgen. Der Lkw-Transitverkehr würde seine Tanks im Ausland füllen. Die im Gegenzug für den höheren Dieselpreis angebotene Kfz-Steuerentlastung für Dieselfahrzeuge würde allerdings Wenigfahrer belohnen.

Der eigentliche Kfz-Steuerreformplan der BUND-Experten Jan Weiß und Werner Reh ist ein Stufenkonzept, das der Einkommensteuer ähnelt. Für Neuwagen sollen in Stufe 1 die ersten 100 g/km CO2-Ausstoß steuerfrei sein. In der letzten Stufe 6 sollen ab 200 g/km 12,50 Euro pro Kilometer ausgestoßenem Gramm CO2 fällig werden.

Zur Verdeutlichung der einheitlichen Diesel/Benzin-Kfz-Steuer präsentieren sie Vergleichsberechnungen für jeweils zehn gängige Automodelle. Das Ergebnis ist ein Konjunkturprogramm für Dieselmotoren und deren Absatz. Es würde den Fahrer eines Smart Fortwo Coupé (Benziner) im Vergleich zur hubraumbasierten Kfz-Steuer um 24 Euro entlasten. Aber schon für einen VW Polo 1.4 (Benzin) würden 116 Euro pro Jahr aufgeschlagen. Wer sich einen Mercedes ML 350 zulegt, müßte statt 256 Euro nun 1.913 Euro zahlen. Auch für Familienautos wie die Mini-Vans (VW Sharan, Ford S-Max, Renault Scénic oder Mazda 5), die konzeptbedingt einen höheren Verbrauch haben, wären künftig dreistellige Steuerzuschläge fällig - doch das verschweigt das BUND-Konzept.

Ein Auto für den urbanen Großstadtsingle wie der Smart Fortwo Coupé (Diesel) würde hingegen um 132 Euro pro Jahr billiger - da wären immerhin 40 Cappuccino extra drin. Mit Dieselmotor spart der Fahrer eines VW Polo 226 Euro. Selbst beim PS-starken BMW 530xd würde man noch 33 Euro weniger ans Finanzamt abführen. Erst der Fahrer eines Audi A6 3.0 TDI Quattro fiele in die Kategorie derer, die neben dem höheren Dieselpreis auch 275 Euro Kfz-Steuer drauflegen müßten.

Unsichere Folgen und einige offene Fragen

Selbstkritisch gestehen die BUND-Autoren ein, daß die fiskalischen Effekte "nur grob abgeschätzt" werden könnten. Zudem könne keine genaue Vorhersage getroffen werden, ob ihr Tarif die Nachfrage nach klimafreundlichen Neuwagen überhaupt erhöhen würde. Dabei legitimieren sie ihr Konzept zusätzlich dadurch, daß auch der Autoindustrieverband VDA "eine solche lenkungswirksame Kfz-Steuer" fordere, um den schwachen Absatz anzukurbeln. Die höheren Anschaffungs- und Versicherungskosten für Diesel-Pkw relativieren den Kfz-Steuervorteil übrigens etwas.

Der rein CO2-fixierte BUND-Ansatz läßt zudem offen, wie künftig die Lenkungswirkung zum Abbau von Feinstaub und anderen Schadstoffen ausgeübt werden soll. "Ein Diesel-Pkw belastet die Luft im Mittel etwa zehnmal mehr mit Stickstoffoxidemissionen als ein Benziner", warnt das Umweltbundesamt (JF 48/08). Die Langzeitstabilität von Dieselabgasfiltersystemen ist unbekannt. Wie die EU-Abgasnormen Euro 5 und 6 (schärfere Grenzwerte für Stickoxide/NOX, Kohlenwasserstoffe/HC und Rußpartikel) berücksichtigt werden sollen ist unklar.

Ebenso, worin der ökologische Mehrwert liegen soll, funktionstüchtige Autos mittels Steueranreizen durch Neuwagen zu ersetzen. Altfahrzeuge benötigen keinen zusätzlichen Energie- und Ressourcenaufwand zur Herstellung. Und da der CO2-Ausstoß ausschließlich vom Verbrauch abhängt, wäre es konsequent, die Kfz-Steuer (und ihre kostspielige Erhebung) völlig abzuschaffen und auf die Energiesteuer umzulegen.

Das BUND-Kfz-Steuerkonzept im Internet: www.bund.net/bundnet/presse/pressearchiv/

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