© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Frisch gepresst

Thomas Mann. Regalmeter haben sich allein zum Thema "Politik und Kultur bei Thomas Mann" gefüllt. Inzwischen steht daher jeder weitere Anlauf unter Verdacht, fortsetzen zu wollen, was im Grunde schon Naphta und Settembrini zu Tode disputierten. Gegen die 2006 vorgelegte Züricher Dissertation von Philipp Gut (Thomas Manns Idee einer deutschen Kultur. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2008, gebunden,, 460 Seiten, 22.90 Euro) besteht dieser Verdacht zu Recht. Hübsch chronologisch erzählt er Einschlägiges vom "Zauberer" nach, zeigt sich mitunter brav entsetzt von "antisemitischen Klischees" in den Tagebüchern 1918/19, trägt aber ansonsten mit größtmöglicher Kritikferne zu stattlichen Zitatenhaufen zusammen, was sich der Meister in Sachen "deutsche Kultur" so alles bei Schopenhauer, Nietzsche, Wagner anlas. Wer so affirmativ verfährt, dem entgeht eine analytische Leistung wie Berndt Herrmanns Augsburger Dissertation über den "heiteren Verräter" Thomas Mann (2003), die wirklich neue Erkenntnisse über einen Autor bietet, der als politischer Kopf zugleich ein "moderner Schriftsteller" war, weil er die "Pluralität der modernen Welt repräsentierte". Mit seinen "Betrachtungen eines Unpolitischen" (1918) mit ihrer Endlospolemik zugunsten deutscher Bildung und Kultur, so Herrmanns These, gehöre er daher nicht unter die "Konservativen Revolutionäre", sondern verteidige "deutsche Kultur" gegen die tendenziell totalitäre, nivellierende Trias Demokratie, Liberalismus, Kapitalismus wie gegen die ebenso pluralismusfeindliche Ganzheits- und Gemeinschaftssehnsucht der KR. Von solchem Scharfsinn, den Herrmann auch an der Publizistik des "Republikaners" wie des Exilanten Thomas Mann erkennt, ist Gut schmerzlich weit entfernt.

Titanen. Die althumanistische Bildung ist seit Jahren auf dem Rückzug, der Kreis derer wird immer kleiner, denen die Viten Themistokles', Tiberius' oder Senecas nicht nur in Geschichte, sondern auch im Latein- oder Griechischunterricht nahegebracht wurden. Insofern eröffnet Klaus Beckers biographischer Spaziergang durch die Antike viel interessantes über "Geächtete Titanen" (Berliner Wissenschaftsverlag BWV, Berlin 2008, broschiert, 133 Seiten, 29 Euro), denen nach großen Erfolgen übel mitgespielt wurde oder die gar gewaltsam aus dem Weg geschafft wurden. Allerdings hat es, da kann auch Becker nichts Sensationelles berichten, bei den meisten Heroen nicht dazu gereicht, ihren Ruf bis in die heutigen Lateinbücher hinein zu erschüttern und damit dem Zitat aus der nordischen Edda (Eins weiß ich, das ewig lebt: Des Toten Tatenruhm) zu widersprechen. Der Logik folgend widerfährt selbst dem bösen Kaiser Nero Gerechtigkeit, dem bis heute zu Unrecht die Brandstiftung Roms ans Zeug geflickt wird.

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