© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Presserabatte: Tausende von Vergünstigungen für Journalisten
"Es gibt kein Schamgefühl"
Jan Kniprode

Sebastian Brinkmann (30), Journalist aus Solingen und Betreiber des Internetportals Pressekonditionen.de, fürchtete um seinen Rechner. Zeitweise hatte er "Sorge, die Maschine würde zusammenbrechen". Das war ihm vor Jahren schon einmal passiert, als die Fernsehsendung "Panorama" über ihn berichtete. Diesmal war eine kritische "Zapp"-Sendung in der ARD über Presserabatte für Journalisten der Auslöser. Doch es ging alles gut. Immerhin hätten am Tag nach der Sendung rund 6.600 Nutzer sich seine Angebote angesehen. Normalerweise zählt er sonst 2.500 Besucher.

Brinkmann, hauptberuflich seit Mitte 2008 bei RP online, dem Internet-Portal der Rheinischen Post in Düsseldorf tätig, betreibt Pressekonditionen.de als Ein-Mann-Unternehmen und konzentriert sich im Themenbereich auf Journalistenrabatte, wie sie dieser Berufsgattung üblicherweise von Firmen eingeräumt werden. Pro Monat verzeichnet er rund 433.000 Seitenaufrufe. Vierzehntäglich verschickt Brinkmann zudem einen kostenlosen Informationsdienst, der an über 17.000 Empfänger im deutschsprachigen Raum geht.

Als "größte Presserabatt-Datenbank im Internet" präsentiert sich Journalismus.com mit 1.737 Rabattangeboten und über 1.000 Nutzerhinweisen. Weitere 8.000 Rabatthinweise sind auf einer Extraseite aufgeführt. Den dortigen Rabatt-Infodienst nutzen rund 20.000 Bezieher.

Unternehmen sind gegenüber Journalisten sehr spendabel. Sie räumen ihnen ansehnliche Preisnachlässe für Autos, Bücher, Urlaubsreisen, Hotels, Waschmaschinen oder Mobiltelefone ein. Die Rabattlatte ist stellenweise sehr lang. Zwanzig- oder sogar fünfzigprozentige Preisnachlässe sind keine Seltenheit - man muß nur glaubhaft nachweisen können, daß man wirklich der schreibenden Zunft angehört.

Warum es das Rabattgeschäft für Journalisten gibt, ist nicht ohne weiteres herauszubekommen. Es wird vielsagend geschwiegen. Wer räumt schon gern ein, daß er sich von einem Journalisten nicht unbedingt eine negativ-kritische Berichterstattung über sein Unternehmen wünscht? Also gibt man sich gegenüber dem Berufszweig mit den nicht eingrenzbaren Arbeitszeiten gern generös und verweist jeden Verdacht der Bestechlichkeit mit weit ausladender Armbewegung in den Bereich der Phantasie. Alles habe seine unumstößliche marktwirtschaftliche Ordnung.

Fernsehjournalisten haben es noch ein Quentchen besser

Sogar beim Deutschen Journalistenverband (DJV) will die linke Hand nicht wissen, was die rechte tut: Einerseits ruft er seine Mitglieder auf, sich nicht korrumpieren zu lassen, andererseits ist er sich nicht zu schade, bei Sonderangeboten beispielsweise für Versicherungen, Bücher, Mobiltelefonen oder Urlaubsreisen äußerst behilflich zu sein.

Die "Zapp"-Redaktion plaudert zwanglos aus dem Nähkästchen und räumt in dem gesendeten Beitrag ein, daß sich ihre Kollegen in den öffentlich-rechtlichen Sendern die Journalistenrabatte "besonders häufig" zunutze machen.

Von einer "Gier der Journalisten" ist die Rede. In der eigenen Redaktion "ließ sich schon so mancher in Versuchung führen, ist mit Rabatt verreist oder Bahn gefahren". PR-Berater Klaus Kocks vor der Kamera: "Man gewöhnt sich daran, immer wie eine Primadonna behandelt zu werden, und sowohl die Eitelkeit als auch die Freigiebigkeit der Beteiligten, die dort miteinander zu tun haben, ist nach oben offen. Es gibt kein Schamgefühl."

Fernsehjournalisten haben es ohnehin mindestens ein Quentchen besser respektive lukrativer als ihre Kollegen beim Radio oder in den Printmedien. Die ständige Präsenz auf dem Bildschirm hat so manchem Moderator oder Nachrichtensprecher zu zusätzlichen Aufträgen außerhalb des Fernsehens verholfen - bei Kongressen oder Agenturen der Werbewirtschaft.

Wäre es da nicht gerecht und billig, wenn ein Teil der so erzielten zusätzlichen Einnahmen an den Sender abgeführt würde, der zum großen Bekanntheitsgrad des Fernsehjournalisten beigetragen hat?

Die Zeiten, als "unabhängige und unbestechliche" Auto-Tester auf Kosten eines Automobilkonzerns in einer Nobel-Herberge mit mindestens vier Sternen domizilieren durften und rein zufällig auf ihrem Nachttischchen ein dezentes Kuvert mit wertvollen gültigen Banknoten fanden, gehören dagegen seit langem der Vergangenheit an.

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