© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/08 12. Dezember 2008

Auf gut deutsch
Die Verankerung der Nationalsprache im Grundgesetz wäre mehr als ein integrationspolitisches Signal
Michael Paulwitz

Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch." Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht mehr. Sonst hätte der holprig formulierte Versuch der CDU-Basis, im Grundgesetz eine Lücke zu schließen und im Artikel 22, der die schwarzrotgoldene Bundesflagge festlegt, auch die Staatssprache festzuschreiben, nicht einen solchen Sturm der Entrüstung hervorrufen können. Bei dem Vorhaben geht es nämlich um mehr als ein integrationspolitisches Signal. Es geht darum, wer in diesem Land künftig das Sagen hat.

Der scheinbar harmlose und symbolische Antragstext sollte wohl nur der Tristesse der Merkel-Union rechtzeitig vor den nächsten Wahlkämpfen, wenn auch gegen den erklärten Willen der Vorsitzenden, wenigstens ein konservativ und emotional besetztes Glanzlicht aufsetzen. Tatsächlich löste er eine Reprise der "Leitkultur"-Debatte aus und damit eine Auseinandersetzung über das Staatsverständnis der politischen und medialen Eliten und einflußreicher Lobbygruppen in diesem Land.

An ihren Argumenten sollte man sie erkennen. Der FDP-Generalsekretär hielt Steuersenkungen für wichtiger als die verfassungsrechtliche Regelung der Staatssprache, sein Parteichef und die Grünen Bildungsausgaben; auf der Linken hätte man lieber mehr sozialistische Umverteilung statt "latenter Ausländerfeindlichkeit". Eine dem Restalkohol der Delegierten geschuldete "blöde Idee" wittert die Süddeutsche, Zentralorgan von im Hier und Jetzt vor sich hin träumenden Bundesrepublikanern wie dem nordrhein-westfälischen CDU-Integrationsminister Armin Laschet, der die Festschreibung der Staatssprache als überflüssige Verfassungs-"Lyrik" verspottete.

Die Realität könnte die multikulturalistischen Meinungsführer indes schneller als gedacht vom hohen Roß der Geringschätzung des Eigenen herunterholen. So unausgesprochen selbstverständlich, wie die Laschets dieser Republik tun, ist die Position des Deutschen als Landessprache schon lange nicht mehr. Man möchte den postnationalen Spöttern empfehlen, einmal aus dem Dienstwagen auszusteigen und in Kreuzberg oder Neukölln in der Landessprache nach dem Weg zu fragen, um einen Vorgeschmack von den dramatischen Rückwirkungen demographischer Umbrüche auf die sprachliche Realität im Lande zu bekommen.

Die Funktionäre der türkischen und muslimischen Lobbyverbände brauchen solche Nachhilfestunden nicht. Sie reagieren auf das Ansinnen, Deutsch als alleinige Staatssprache festzuschreiben, wie auf ein Störmanöver, mit dem man ihnen ein rechtmäßig demnächst anfallendes Erbe bestreiten wollte. Die Sprachenfrage ist für sie eine Machtfrage.

Das steht als Drohung zwischen den Zeilen, wenn die Türkische Gemeinde vor erhöhtem "Assimilierungsdruck" warnt - ein Vorwurf, den ihr Vorsitzender Kenan Kolat der türkischen Verfassung - in der die Staatssprache ebenso selbstverständlich festgeschrieben ist wie in den Konstitutionen Dutzender westlicher Demokratien - mit Sicherheit nie machen würde. Kolat wünscht sich eine andere Verfassungsänderung, die den Staat zur Achtung der "Identität der kulturellen und sprachlichen Minderheiten" verpflichten soll. Kollege Axel Ayyub Köhler vom Zentralrat der Muslime verweist in seiner Abwehr der Staatssprache Deutsch listig auf die dänische und sorbische Minderheit, mit denen er muslimische Einwanderer unausgesprochen gleichstellt.

Das also ist des Pudels Kern. Die Fixierung des Deutschen im Grundgesetz wird abgelehnt, weil man sich als künftige autochthone Volksgruppe sieht und in letzter Konsequenz eine andere Republik wünscht - eine multiethnisch und mehrsprachig verfaßte Vielvölkerrepublik. Der Hebel dazu ist eine Uminterpretation von "Integration", die jede deutsche Leitkultur als "Hindernis für Integration" betrachtet, weil man Integration nur als Inkorporation ganzer Volks- und Religionsgruppen bei maximaler Autonomie akzeptieren möchte.

Eine in der Verfassung abgesicherte Staatssprache Deutsch würde dem entgegenstehen, weil sie vielen integrationspolitischen Forderungen, die den Einwandererverbänden übel aufstoßen, mehr Nachdruck verleihen könnte - von der Deutschlernpflicht für einwanderungswillige Importbräute über die verbindliche Schulsprache Deutsch bis zur Forderung nach deutschsprachigen Predigten in Moscheen und Gebetshäusern. Kolat, der darauf verweist, daß die deutsche Amtssprache in Verwaltungsverfahrensgesetz und Sozialgesetzbuch bereits festgeschrieben ist, weiß auch, daß dies einfachgesetzliche Regelungen sind, die unter dem Druck veränderter demographischer Gewichte leichter geändert werden können als ein Verfassungsartikel.

Das herrische Auftreten der Einwandererfunktionäre speist sich aus dem Bewußtsein, daß nicht nur die Zeit für sie arbeitet und ihren Einfluß mehrt, sondern auch Heerscharen "nützlicher Idioten". Während Kolat und seine Mitstreiter sich lässig zu Deutsch als Amts- und Integrationssprache bekennen, ist dessen alltägliche Aushöhlung durch staatliche Organe und öffentliche Institutionen selbst längst im vollen Gange.

Auf allen Ebenen ist Behördenservice in Einwanderersprachen an der Tagesordnung - sei es durch mehrsprachige Broschüren und Wegweiser, sei es durch forcierte Einstellung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund und entsprechender Sprachkompetenz. Das beharrliche Drängen der Lobbyverbände auf Einwandererquoten im öffentlichen Dienst und bei der Polizei findet längst willige Vollstrecker quer durch alle Lager - das Sprachargument ist immer vorne dabei. Was kommt als nächstes? Flächendeckender Türkischunterricht an deutschen Schulen? Weit davon entfernt, heilsamen "Assimilationsdruck" auszuüben, paßt sich das Aufnahmeland gefügig seinen Einwanderern an.

Ein Verfassungszusatz allein kann diese Entwicklung nicht umkehren. Ein Anfang wäre damit aber immerhin gemacht.

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