© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/08 12. Dezember 2008

Innenansichten eines geläuterten Islamisten
Konvertit: Der 24 Jahre alte Deutsch-Syrer Barino Barsoum ist vom Islam zum Christentum übergetreten und muß nun um sein Leben fürchten
Fabian Schmidt-Ahmad

Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden". Bei der Begegnung mit Barino Barsoum wird man unwillkürlich an das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert. Bekannt wurde der heute 24 Jahre alte Sohn eines Syrers und einer Deutschen durch die Fernsehdokumentation "Koran im Kopf", die das Porträt eines in den Islam abgedrifteten Jugendlichen nachzeichnete. Bis dahin nichts Ungewöhnliches, häufen sich doch in Deutschland die Fälle, in denen intelligente und gebildete Heranwachsende auf der Suche nach geistigem Gehalt zu Moslems werden. Doch Barsoum ging einen Weg, auf dem ihm der Islam nicht folgen konnte. Im Frühjahr kam es nach sieben Jahren zum Bruch - Barsoum ließ sich christlich taufen.

"Wer seine Religion wechselt - den tötet!" lautet die Handlungsanweisung an jeden frommen Moslem. Und doch suchte Barsoum die Öffentlichkeit. Die folgende Dokumentation "Barino - der Ausstieg" (JF 35/08) steigerte seine Bekanntheit, doch kann man ihm nichts weniger als Eitelkeit oder Wankelmut vorwerfen. Es ist vielmehr die gleiche Entschlossenheit, mit der er einst Moslem wurde und die ihn nun zur Mitteilung drängt: "Weil mir die Gesellschaft am Herzen liegt und ich davon überzeugt bin, daß sie von meinen Erfahrungen profitieren kann", so beschreibt Barsoum seine Motive. Aber auch "die Muslime liegen mir am Herzen, und ich möchte mit ihnen wenigstens in einen Dialog eintreten".

Daß dieser Dialog etwas ganz anderes heißt als das ritualisierte öffentliche Geschwätz, mit dem Islam-Funktionäre auf überforderte Gesprächspartner treffen, wurde vergangene Woche deutlich, als Barsoum einer Einladung des islamkritischen Vereins Pax Europa nach Berlin folgte. Auch türkische Männer in Barsoums Alter hatten sich unter die Zuhörer gemischt. Einer von ihnen griff Barsoum scharf an.

Eine verbindliche Exegese des Koran sieht vor, daß eine Ehebrecherin ihr Kind austragen und noch zwei Jahre stillen soll, dann aber wird sie gesteinigt. Als einen Grund, wieso er zum Christentum übergetreten ist, stellte Barsoum dem gegenüber das Johannes-Evangelium mit der Erzählung von Jesus Christus und der Ehebrecherin: "Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!" Solche Gründe wollte der zornige junge Mann nicht gelten lassen: "Das wichtigste bei dieser Sache ist, daß die Ideologie, die Basis des Islams, durch den Verstand gehen muß." Barsoum sei aber durch "reine Emotionen geleitet".

Aus seiner Sicht sei Barsoum daher niemals Moslem gewesen. Wie hätte auch ein theologisch geschulter Moslem zugeben können, daß seine Religion überwunden werden kann. Doch auch dieses Argument entkräftete Barsoum, indem er darlegte, daß Religiosität immer ein hochemotionaler Akt ist und er für fünf Jahre tatsächlich gläubiger Moslem war. Auf den Einwand, daß Koransuren vieldeutig und nicht in eine andere Sprache übertragbar seien, rezitierte und übersetzte Barsoum ad hoc aus dem Hoch-arabischen - Satz für Satz, Wort für Wort ausgerechnet die Stellen, welche den Tod festlegen für Moslems, die vom islamischen Glauben abgefallen sind.

"Offensiv" wolle er mit Muslimen Probleme ihrer Religion ansprechen, sagte Barsoum. Mit einer inneren Ruhe und gelassenen Konzentration, die man bei einem Menschen dieses Alters nicht für möglich gehalten hätte, drängte er so seine Gesprächspartner in die Ecke, führte sie beständig in Aporien, so daß sie sich entscheiden mußten: Folge ich der äußeren Rechtleitung, den Gesetzen des Islam, oder folge ich meiner inneren Stimme?

Diese Kollision zwischen theokratischem Herrschaftssystem einerseits und innerer Erkenntnis durch das Herz andererseits war es schlußendlich, die Barsoum wieder aus dem Islam herausführte. Der Sufismus als Ausdruck der islamischen Mystik war für ihn kein gangbarer Weg: "Ich will nicht lügen", sagt Barsoum: Dazu hätte er die Glaubenstexte in einer Weise relativieren müssen, die diese nicht vorsehen. Denn ernst nimmt Barsoum den Islam - auch heute noch. Es ist diese Ernsthaftigkeit, verbunden mit offener Menschenliebe, die Barsoum so gefährlich macht. "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen", heißt es in der Bibel. Barsoum ist gleichsam ein großer Leuchtturm dieser Botschaft. Doch wenn die Menschen frei sind, kann sie niemand mehr beherrschen.

Barsoum hat seinen Wandel nicht heimlich vollzogen. Weder hat er seinen Wohnort gewechselt, noch verbirgt er seinen Namen. Unbeeindruckt blieb er auch vom ununterbrochen auf seinem Gesicht haftenden Blick des jungen Türken. Kurz ist womöglich der Weg, den Barsoum noch zu gehen hat. Doch auf dieser Straße können dann Tausende wandeln.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen