© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/08 12. Dezember 2008

Frisch gepresst

Bombenkrieg. Roman Herzog, Staatsrechtler und Ruckredner mit Hang zum Opportunismus, dekretierte als Bundespräsident zum 50. Jahrestag der anglo-amerikanischen Terrorangriffe auf Dresden die Sinnlosigkeit juristischer Debatten über dieses Menschheitsverbrechen: "Was bringt uns das ...?" Dies haben sich seine völkerrechtlichen Zunftkollegen stets zu Herzen genommen. Vor allem die jüngeren Internationalisten unter ihnen, die hingebungsvoll am Projekt "Weltrecht" basteln, vom "Weltstaat" träumen und über - auf diesem Wege leider unvermeidliche - Interventionen im Namen der "Menschenrechte" reflektieren. Eine Mischung aus fachlichem Desinteresse, Political Correctness und Angst, bei den "westlichen Freunden" unangenehm aufzufallen, habe folglich dazu geführt, daß die deutsche Völkerrechtswissenschaft "irritierend wenig" zur Aufarbeitung "der systematisch geplanten Zerstörung europäischer Städte" beitrug. Bezeichnend ist, daß diese Kritik nun wieder von außen kommt, von einem Juristen zwar, der aber kein "gelernter" Völkerrechtler ist. Björn Schumacher ließ es nicht dabei bewenden, eine politisch erwünschte Forschungslücke aufzuzeigen. Er ist auch bestrebt, sie zu schließen. Und gleich im monographischen Debüt ist ihm nach jahrelanger intensiver Beschäftigung mit der Materie ein großer Wurf gelungen. Schumacher zeigt die völkerrechtlichen wie ethischen Dimensionen des "Morale Bombing" auf, diskutiert die fortgeltenden angelsächsischen Legitimierungsmuster genauso wie die meist peinliche bundesdeutsche "Erinnerungskultur", die mit den Bombenkriegsopfern wenig anzufangen weiß. Nach den großen militärhistorischen Darstellungen Horst Boogs und der epischen Vergegenwärtigung Jörg Friedrichs ("Der Brand") liegt somit eines der raren Standardwerke zu einem deutschen Tabu-Thema vor (Die Zerstörung deutscher Städte im Luftkrieg. "Morale Bombing" im Visier von Völkerrecht, Moral und Erinnerungskultur. Ares Verlag, Graz 2008, gebunden, 344 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

 

Unionsprofil. Außer einem populistischen Vorstoß dokumentierte der jüngste CDU-Bundesparteitag wieder einmal programmatische Blutarmut. Eine inhaltliche Diskussion, wie sie der holsteinische Rechtsanwalt Christian Hausen in seiner Streitschrift anbietet (Mehr Mut zum C in der Politik. Schleswiger Druck- und Verlagshaus, Schleswig 2008, broschiert, 187 Seiten, 12,80 Euro), müßte bei der Technokratin Merkel wohl auf Mißfallen stoßen. Vielleicht würde die Physikerin der Macht in Hausens christlich-konservativem Koordinatensystem, in dem eine sowohl gesellschafts-, wirtschafts- wie auch europapolitische Umsteuerung eingefordert und an lange verschüttete Unionsgrundsätze angeknüpft wird, einfach nur die Orientierung verlieren.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen