© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

"Einfach auf das Herz hören"
Lebensschutz: Viele haben Mona Gold zur Abtreibung geraten, doch die junge Frau entschied sich für ihr Kind
Hinrich Rohbohm

Mit großen Augen blickt sich Jason zu seiner Mutter um. Jede Bewegung, jedes gesprochene Wort scheint der kleine achteinhalb Monate alte Lockenkopf förmlich aufsaugen zu wollen. Jason lebt. Was nicht selbstverständlich ist. Sein Leben stand auf des Messers Schneide. Fast hätten die großen Augen nie das Licht der Welt erblickt. Fast wäre er abgetrieben worden.

Es begann in der Schule. Mona Gold war erst 17, als sie ihren Freund Henrike kennenlernte. Er genauso alt wie sie, aus Brasilien stammend. Zwei Monate waren sie zusammen, da wollte sie nach Berlin. "Das war schon immer mein Traum, in dieser Stadt zu leben", sagt sie. Es entwickelte sich eine Fernbeziehung. Sechs Monate lang. Dann bekam sie Heimweh, vermißte die Nähe ihres Freundes. So ging es im Dezember 2006 zurück nach Petershagen, ein beschauliches Städtchen mit 26.000 Einwohnern im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens. Hier war Mona aufgewachsen: in einer christlichen Familie, mit einer deutschen Mutter und einem ghanaischen Vater.

Früh zieht sie mit ihrem Freund zusammen. Das Glück ist nur von kurzer Dauer. "Es klappte einfach nicht, wir hatten uns immer wieder gestritten", sagt Mona. Fünf Monate später folgte die Trennung. "Erst danach habe ich gemerkt, daß ich schwanger war", erzählt die heute 19jährige. Ihre Eltern waren zunächst nicht begeistert. So früh schon ein Kind? Das würde nicht einfach werden. Dennoch standen sie hinter ihrer Tochter. Anders sah das bei den Eltern ihres Freundes aus, schildert sie die damalige Situation. "Die haben das einfach nur als Problem gesehen, daß ich schwanger bin." Und es sei wohl auch Angst vor der Verantwortung des Sohnes gewesen.

Der Druck seitens der Schwiegereltern nahm zu. Man müsse einem Kind doch schließlich etwas bieten können, hatten sie zu ihr gesagt. Zudem habe sie noch keine Ausbildung, sei ohne Einkommen. Das könne nicht funktionieren. Am besten wäre es, sie würde das Kind abtreiben lassen. Schließlich gehe es um ihre Zukunft, ihr berufliches Fortkommen, finanzielle Sicherheit. Unzählige Argumente prasselten auf sie ein. "Ich war vom Kopf her völlig taub", erinnert sich Mona. "Ich liebe Babies über alles", betont sie. Und dennoch hätte sie fast auf die Ratschläge gehört. Denn auch ihr Freund riet ihr zur Abtreibung. Mona hatte mit ihm einen Neuanfang gewagt. "Weil ich ihn immer noch liebte. Und auch weil ich einfach nicht allein sein wollte", erklärt sie.

"Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte tatsächlich mein eigenes Kind ermordet", gibt sie heute zu. Immer wieder sagte sie sich: Abtreibung? Nein, das machst du nicht. "Aber ich wußte andererseits auch nicht, wie es weitergehen sollte."

Selbst das diakonische Werk in Minden habe ihr indirekt zur Abtreibung geraten. "Sie sind ja erst in der 10. Woche, da kann ja noch viel passieren", hatte ihr eine Beraterin des christlichen Hilfswerks zu verstehen gegeben. Mona ist überzeugt: Das war eine versteckte Aufforderung zur Abtreibung. "Die sind da gar nicht auf meine Probleme eingegangen, es ging immer nur um die Finanzen", schildert sie mit einer Mischung aus Wut und Empörung. Jason scheint sich dem anschließen zu wollen und drischt erstmal ein wenig auf seine Bauklötze ein. Sie habe gehofft, Trost zu bekommen. "Statt dessen schickte mich die Beraterin nach zehn Minuten wieder aus dem Raum und hat mir damit auch noch meinen letzten Mut genommen." Mona stand einen Schritt vor dem Entschluß, eine Abtreibung vorzunehmen. Heute erschrickt sie selbst vor ihren einstigen Überlegungen. "Daß ich darüber überhaupt nachgedacht habe, dafür könnte ich mich ohrfeigen", erzählt sie heute. Wie zur Bestätigung befördert Jason seine zuvor sorgfältig in einen Korb gelegten Bauklötze von krachenden Geräuschen begleitet vom Sofa auf den Fußboden.

Ihr Arzt war es, der sie vom Gedanken an Schwangerschaftsabbruch abbrachte, erzählt Mona. Und auch ihre Eltern, beide gläubige Christen, unterstützten sie darin. Ihre Mutter brachte sie mit der Aktion Lebensrecht für Alle (Alfa) zusammen, die Mona finanzielle Unterstützung zukommen ließ. Heute engagiert sie sich selbst in der Lebensschutzorganisation, sammelt Babykleidung und macht Telefondienst. In ihrem Ort hat sie bereits Mitstreiter gefunden.

Am 1. April dieses Jahres wurde Jason geboren. "Die Schwangerschaft war ein unglaublich schönes Gefühl, ich habe mich total gefreut auf mein Kind", sagt Mona. Heute weiß sie: Sie hat sich richtig entschieden. "Oftmals werden einfach nur irgendwelche Gründe vorgeschoben, mit denen eine Abtreibung gerechtfertigt wird", sagt sie. Doch in Wahrheit seien viele Menschen hierzulande einfach zu anspruchsvoll geworden, ist sie überzeugt. "Selbst wenn ich nicht genügend Geld habe, weiß ich, daß ich meinem Kind mehr Liebe geben kann als so manch andere." So würden viele Eltern ihren Kindern zwar "tausend Sachen" kaufen, sich selbst aber viel zu wenig Zeit für ihre Kleinen nehmen. Gerade einmal 150 Euro hat Mona mit ihrem Sohn zum Leben. Doch sie kommt zurecht. "Wie schaffst du das?" sei sie von ihren Freundinnen fassungslos gefragt worden. Natürlich müsse sie Abstriche machen, sagt sie. Babykleidung erhält sie von Freunden und Bekannten. Trotzdem ist sie glücklich. "Man wird von außen viel zu sehr beeinflußt", nennt sie den Grund, warum sich viele für eine Abtreibung entscheiden. Ihr Tip: "Einfach auf das Herz hören." Längst steht für sie fest, daß sie "auf jeden Fall" noch ein zweites Kind bekommen möchte.

Und selbst ihre Schwiegereltern sind inzwischen froh, daß Jason das Licht der Welt erblicken durfte. Regelmäßig kommen sie ihren Enkel besuchen. Mit ihrem damaligen Freund ist Mona inzwischen zwar nicht mehr zusammen. Doch auch Henrike nimmt sich Zeit für Jason. Er hat eine Ausbildung zum Hotelfachmann begonnen. "Kein Happy­end, aber trotzdem happy", faßt Mona ihre Situation zusammen. "Das Kind hat unsere Familie noch viel stärker zusammenrücken lassen." Und sie habe ihren Glauben an Gott wiedergefunden, den sie in ihrer Jugendzeit verloren hatte. Wie zum Beweis greift Jason nach dem silberfarbenen Kreuz, das seine Mutter um den Hals trägt. Er packt es. Und hält es mit seiner kleinen Hand umschlungen. Ganz fest.

Weitere Informationen zum Lebensschutz im Internet unter www.alfa-ev.de

Foto: Mona Gold mit ihrem Sohn Jason: "Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mein Kind ermordet"

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