© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Auf dem Weg in ein monetäres Völkerrecht
Finanzpolitik: Die Staaten müssen ihre Bürger und Währungen vor der Piraterie der globalisierten Banken schützen
Wilhelm Hankel

Der Erfinder des Euro, der kanadische Professor Robert A. Mundell, denkt über die Krönung seines Lebenswerkes nach: die Schaffung einer Weltwährung. Der Träger des Nobelpreises für Ökonomie von 1999 wird sie nicht erleben. Die Finanzkrise läßt jeden Tag deutlicher werden, warum die Vision von der Weltwirtschaft als einem "optimalen Währungsraum" eine wenn auch faszinierende Science fiction ist - so wie die Auswanderung der Menschheit auf einen anderen Planeten. Aber etwas anderes könnte der 76jährige Theoretiker optimaler Währungsräume erleben - und sollte es: eine Konvention der Staatengemeinschaft zum Schutz der Währungen, ein "monetäres Völkerrecht".

Das Recht (richtiger das Privileg) der Banken auf freien grenzenlosen ("globalen") Kapitalverkehr steht im Widerspruch zum Menschenrecht auf Behausung: dem natürlichen Recht aller Erdenbewohner auf einen geschützten Lebensraum, der ihnen erlaubt, da zu leben, wo sie geboren sind, ihr Auskommen finden und ihre Kinder aufwachsen. Es ist die vornehmste Aufgabe der Staaten, ihre Legitimation schlechthin, diesen Schutzraum zu garantieren.

Der Staat war es, der aus Jägern, Sammlern und räuberischen Nomaden seßhafte und friedlich ihrer Arbeit nachgehende zivilisierte Bürger machte. Diese wissen nach Jahrtausenden kriegerischer Wirren ihre Rechts- und Sozial­ordnung zu schätzen und bejahen sie. Sie wird im zivilisierten und kapitalistischen Westen auch nicht mehr von Krieg und kaum noch von Bürgerkriegen bedroht, sondern (erstaunlich genug) von vagabundierendem "Kapital", den vielzitierten "Heuschrecken". Diese fallen nicht nur über kapitalschwache oder geschwächte Unternehmen her, weiden ihre wertvollen Organe aus, um so auf Kosten der Arbeitsplätze riesige Profite zu erzielen.

Sie haben sich als Operationsbasis für ihre Raubzüge ein grenzenloses, staatsfreies und exterritoriales Freibeuterreich geschaffen, in dem nur ein Gesetz gilt: das ihre! Es handelt sich um den globalen Interbankenmarkt. Hier werden aus wechselseitig eingeräumten Bank-zu-Bank-Schulden in Billionenumfang jene Kredite und fragwürdigen - weil mit hohen Risiken behafteten - "Wertpapiere" fabriziert, die nun nach einer beispiellosen Orgie eingestrichener Buch- und Zinsgewinne auf ihre Urheber zurückfallen.

Der vom globalen Finanzmarkt ausgehende Kreditbetrug ist die moderne Version der alten Karibik-Piraten. Denn hinter den Unsummen gehandelter "Derivate" (die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich schätzt ihr Volumen auf 500 Billionen US-Dollar) und emittierter "Zertifikate" (wie etwa denen von Lehman Brothers) stand niemals eine reale Spareinlage oder ein durch echte Wertpapiere gedeckter Zentralbankkredit. Auch wenn sich die Freibeuter vergangener Jahrhunderte nur das Raubgold und -silber der spanischen Krone aneigneten: Sie waren weder Robin Hoods, soziale Wohltäter noch Fortschrittspioniere. Genausowenig sind es ihre Nachfahren, die modernen "Investmentbanker". Sie eigneten sich mit wertlosem Kreditgeld werthaltige Aktien, Anleihetitel und Immobilien an, deren Preise sie wie Raketen (hochinflatorisch) in den Himmel schossen. Doch als sie anfingen, ihre Schrottpapiere nicht nur untereinander zu handeln, sondern dem naiven Publikum anzudrehen, platzte die Blase. Weil die Betrogenen - darunter auch die Betrüger selber! - mißtrauisch wurden, trocknete die Betrugsquelle aus, und der Interbankenmarkt brach zusammen.

Jetzt büßen die Staaten für ihr tatenloses Hinnehmen der Bankpiraterie, für den Raub an den arbeitsamen und Lebensvorsorge treibenden Menschen und an der Entwertung der Währung. Denn die Krise mindert nicht nur den Wert des in Aktien, Immobilien, Hypotheken, Lebensversicherungsansprüchen, Derivaten und Zertifikaten angelegten Vermögens, sondern auch die darin nominierten Geldansprüche. Jede Geldkrise führt zwangsläufig zu einem Vertrauensverlust in den Staat und seine Zentralbank, der diese Währung anvertraut ist - auch wenn die Krise (anders als bei früheren Inflationen) nicht vom Staat ausgeht, sondern von einer sozial verantwortungslosen Bankwelt.

Daher ist die Lehre aus dieser Krise: Die Staaten, allen voran die auf die Weltgeltung ihrer Währung angewiesenen des Westens, müssen dem Freibeutertum der Finanzwelt Einhalt gebieten. Nur so können die Schäden und Folgen der Finanzkrise begrenzt und überwunden werden. Sowenig wie sich die aufstrebende Weltwirtschaft die Piraten der Karibik oder anderer Weltmeere leisten konnte, darf heute die "Globalisierung" zum Aktionsfeld für unproduktive Beutelschneider werden oder ein solches bleiben.

Eine Ergänzung des Völkerrechts durch ein monetäres ist geboten, denn ein Zurück zur "Kanonenbootdiplomatie" früherer Kolonialmächte scheidet aus. Damals genügte eine britische Fregatte vor der Küste, um ein säumiges Schuldnerland an seine Raten zu erinnern. Heute geht es um mehr als die Eintreibung privater Kreditschulden. Es geht um die Rechte der Menschen auf sichere Arbeitsplätze und stabiles Geld. Letzteres aber kann weder durch Golddeckung (ein "barbarisches Relikt", wie John Maynard Keynes spottete) noch durch einen bröckelnden Dollar-Standard garantiert werden, sondern einzig und allein durch ein Abkommen der Welthandel betreibenden Nationen gegen Falschmünzerei (Inflation) und Kreditbetrug (aufsichtsfreie Bankgeschäfte). Es ist die Geschäftsgrundlage für eine stetig weiter wachsende Weltwirtschaft, sichere Arbeitsplätze und eine sich rechnende Altersversorgung.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war unter Karl Schiller Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Er veröffentlichte zuletzt das Buch "Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen" (Signum-Verlag, Wien 2008).

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