© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Delphine sind vorsichtiger
Nach dem Plop ist es zu spät, in Deckung zu gehen: Physiker erforschten die Geschwindigkeit, mit der Sektkorken knallen
Richard Stoltz

Die Forschungen an der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld werden immer Nobelpreis-würdiger. Jetzt gab ihr Pressesprecher Christian Ernst triumphierend bekannt, Wissenschaftler seiner Hochschule hätten mittels langwieriger Versuchsketten definitiv geklärt, daß die Korken von Sektflaschen, die man vor Öffnung tüchtig geschüttelt habe, mit einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern aus dem Flaschenhals herausflögen. Wer von ihnen getroffen werde, müsse ernsthaften Schaden gewärtigen.

Das Herausfliegen der Korken, fuhr Herr Ernst im Ernst fort, werde von einem lauten Plop begleitet. In einem Wohnzimmer von durchschnittlicher Größe sei es aber nicht möglich, nach Vernehmen dieses Plop noch rechtzeitig in Deckung zu gehen. Wer also in den bevorstehenden Festtagen mit Sekt feiere, solle seine Mitfeierer entweder warnen oder dafür Sorge tragen, daß die Geschwindigkeit der Korken von vornherein minimiert werde.

Gut gebrüllt, Löwe! Man könnte beinahe denken, die Clausthaler hätten direkt von den Delphinen gelernt. Diese können mühelos mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 Stundenkilometern die Meere pflügen, und sie würden das auch gerne tun, denn ihr Sinn für Spaß und Sensation ist hochentwickelt. Doch bei einer solchen Geschwindigkeit entstehen wegen des sogenannten Strömungsunterdrucks des Wassers unzählige Dampfblasen, welche schmerzhaft auf die empfindliche Haut der Delphine aufprallen, besonders am Schwanz. Deshalb verzichten die Tiere lieber auf die schöne Höchstgeschwindigkeit und begnügen sich mit durchschnittlich 30 Stundenkilometern.

Die Clausthaler Sektforscher ihrerseits wollen nicht auf die Höchstgeschwindigkeit verzichten. Denn die Korkenknallerei gehört einfach zur Sektlaune dazu, wie die Versuchsreihen eindeutig ergaben. Bleibt nur, die Mitforscher rechtzeitig zu warnen. Deshalb in jedem Fall: "Achtung, bitte in volle Deckung gehen, ich öffne die nächste Flasche!"

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