© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/09 16. Januar 2009

Kolumne
Nicht selten wird der Schulbesuch behindert
Norbert Geis

Manche Studien behaupten, daß ein Rückgang der Kriminalität bei Jugendlichen zu verzeichnen sei. Die Realität spricht eine andere Sprache.

Laut Polizeikriminalstatistik und Strafverfolgungsstatistik ist der Anstieg registrierter Körperverletzungsdelikte besonders auffällig. Seit 1990 haben sich die Verurteilungszahlen wegen solcher Delikte bei Jugendlichen unter 21 Jahren mehr als verdreifacht. Schaut man nach Berlin, so sind die Fakten haarsträubend. Die Zahl der Delikte, bei denen Hieb-, Stich oder Schußwaffen verwendet wurden, ist von 2005 zu 2006 um 30 Prozent gestiegen. 2007 ist die Jugendgruppengewalt laut Kriminalstatistik erneut um ein Prozent gestiegen. Erschreckend ist hier auch der Haß, der den Opfern entgegenschlägt. Das geklaute Handy ist oft weniger schlimm als die Demütigung, die man erfährt.

Ein gravierendes Problem der jugendlichen Straftäter ist das Fernbleiben vom Schulbesuch. Bei Familien mit Migrationshintergrund ist das leider vermehrt der Fall. Nicht selten wird der Schulbesuch durch das Elternhaus nicht gefördert, sondern im Gegenteil sogar behindert. Der Zugang zum hiesigen Werte- und Verfassungssystem wird in bildungsfernen Familien erschwert. So ist eine Tendenz zu erkennen, daß bei den Gewalttaten von Jugendlichen auch eine gewisse Verachtung gegenüber der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung zum Ausdruck kommt. Die Eltern müssen aber ihrer Erziehungs- und Fürsorgepflicht nachkommen - notfalls auch unter Zwang.

Nicht selten verweigern Eltern jegliche Hilfe bei der Erziehung und verletzen so die Fürsorge- und Erziehungspflicht. Das ist ein Straftatbestand und muß auch dementsprechend geahndet werden. Darüber hinaus müssen die Schulgesetze der Länder hier Sanktionen vorsehen, die dann auch angewandt werden. Das Berliner Schulgesetz sieht schon heute Bußgelder bis zu 2.500 Euro oder ersatzweise bis zu sechs Wochen Erzwingungshaft vor.

Was nützt aber all dies, wenn der gesetzliche Rahmen nicht ausgeschöpft und man bei ALG-II-Empfängern gleich auf die Verhängung eines Bußgeldes verzichtet? Vielfach dauert es Monate, bis ein Jugendlicher für seine Tat verurteilt wird. Oft erinnert er sich dann nicht einmal mehr daran. Warnschußarrest und beschleunigte Verfahren sind die richtigen Mittel. Ein unmittelbarer Arrest kann beim jugendlichen Täter viel mehr bewirken, als später zu Jahren Gefängnis verurteilt zu werden.

 

Norbert Geis (CSU) ist Mitglied des Deutschen Bundestages und lebt als Rechtsanwalt in Aschaffenburg.

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