© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/09 16. Januar 2009

Unter dem Roten Stern
Volker Koops umfangreiche Aufbereitung der deutschen Nachkriegsgeschichte in der Sowjetischen Besatzungszone
Adam Winnicki

Volker Koop, ein freier Autor und Journalist, in den siebziger Jahren gar Sprecher des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg, dem er später in das Verteidigungsministerium an die Hardthöhe folgte, liefert mit seiner Publikation eine durchaus beeindruckende und detailgetreue Übersicht über die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) in Deutschland. Das Buch ist der vierte Folgebeitrag des Autors aus der Reihe "Besetzt", nachdem die französische (JF 25/06), amerikanische und britische "Besatzungspolitik in Deutschland" bereits behandelt wurden.

Die Monographie trägt wesentlich zur Klärung der Geschehnisse in der SBZ bei. Der Bericht besticht durch inhaltliche Kompetenz und bildet eine wahre Fundgrube an historischen Fakten, die beispielsweise die wirtschaftlichen "Reparationen und Demontagen", die schlechten Bedingungen der deutschen Kriegsgefangenen wie auch die aus Deutschland in die Sowjetunion verschleppten Zivilisten und Spezialisten  betreffen. Die ökonomischen Aspekte der SBZ bilden einen umfangreichen Teil des Buches, dabei werden fachkompetent Umfang und Folgen der gewaltigen Reparationsleistungen, die unter der russischen Besatzung zu leisten waren, eingehend beleuchtet. Die Plünderungen des deutschen Eigentums, speziell des Maschinenparks der Industrie und großer Teile der Infrastruktur, in diversen Varianten, werden mit vielen Einzeldetails erschöpfend erläutert. Die gesamte wirtschaftlich-politische Transformation durch die Verstaatlichung "des gesamten wirtschaftlichen Lebens in der SBZ" und die Installierung des kommunistischen SED-Staates wird  übersichtlich dargestellt.

Die zahlreichen Vergewaltigungen, Selbstmorde, Morde und sonstigen Verbrechen der Soldaten der Roten Armee an den besiegten Deutschen werden in aller Deutlichkeit wiedergegeben, ohne irgendwelche Rechtfertigungsversuche für die Sieger. Die Schilderungen des Autors bleiben sehr objektiv und betonen, daß die "Aussagen und Befehle aus Moskau zum Umgang mit den Deutschen" uneinheitlich waren. Somit bleibt der Verfasser durchgehend ausgewogen und läßt sich nicht zu pauschalen, schreierischen Urteilen verleiten. Und trotz der ruhigen Art und Weise büßt der Bericht nichts an seiner Aussagekraft und Brisanz ein: Die in der Publikation beschriebenen Geschichtsdarstellungen sprechen eine deutliche, klare Sprache und lassen die dramatischen Ereignisse und das allgegenwärtige Leid in der Sowjetzone gut nachvollziehen und begreifen. Im Schatten der ut supra geschilderten Situation erfährt man aus der Lektüre außerdem einiges über die alltäglichen Absurditäten, die zunehmend aus den unter Zwang geleisteten Reparationsmaßnahmen und der Einführung der Planwirtschaft erwuchsen.

Volker Koop spannt - um nur einige wichtige Themenfelder der Monographie zu nennen - geschickt den Bogen von der "halbherzig" durchgeführten Entnazifizierung über die Umerziehung im marxistischen Sinn zur neuen Justiz und zur "Bodenreform", der Enteignung, Entrechtung und Vertreibung der adligen und bürgerlichen Mittelschicht, deren Auswirkungen durch die verweigerte Rückgabe unter Kanzler Kohl nach 1990 fortgeschrieben wurden.

Einen besonders neuralgischen Punkt des Buches stellt die Schilderung des Terrors des NKWD dar, der "eine Reihe vorheriger Konzentrationslager - nunmehr vorrangig zur Unterbringung von politischen Gefangenen - weiterbetrieb und neue Lager" auf Kosten der deutschen Kommunen "einrichtete". Gemeint sind die sogenannten "Speziallager" ("SpezLager") wie bespielsweise das ehemalige NS-Lager Buchenwald, das unter den Stalinisten für ihre politischen Zwecke umfunktioniert und weitergeführt wurde. Die Publikation erreicht an der Stelle sicherlich ihren schriftstellerischen Höhepunkt und beleuchtet eindrucksvoll das wahre Gesicht der sowjetisch-stalinistischen Terrorpolitik, die de facto so oft und gern in der Bundesrepublik relativiert wird bzw. gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt ist. Mit der Beschreibung des Übergangs "von der Besatzungszone zur DDR" schließt der Autor die Arbeit ab.

Insgesamt besticht das sehr gut und umfassend verfaßte Werk zur deutschen Nachkriegsgeschichte durch eine klare, verständliche Sprache und viele gut recherchierte historische Detailfakten, die das Bild der SBZ auf interessante Art und Weise vorstellen. Kurz gesagt: ein Buch, das von der ersten bis zu der letzten Seite mit aufschlußreichen und gut aufbereiteten Fakten gefüllt ist. Es bleibt nur zu hoffen und dem Autor zu wünschen, daß die Monographie einen breiten, auch jungen Leserkreis erreichen möge.

Volker Koop: Besetzt. Sowjetische Besatzungspolitik in Deutschland. Be.Bra Verlag, Berlin-2008, gebunden, 316 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro

Foto: Soldaten der Roten Armee in Chemnitz (undatiert): Vergewaltigungen und Morde gingen der ökonomischen Ausplünderung, einer massenhaften Enteignung und Vertreibung des Bürgertums voraus

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen