© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

Zeitschriftenkritik: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte
Eine Hand wäscht die andere
Thorsten Thaler

So unterhaltsam sie im Einzelfall auch sein mögen, als Typus gehen einem die journalistischen Profilneurotiker und lautsprecherischen "Krawalljournalisten" vom Schlage eines Henryk M. Broder, Ulrich Jörges oder Matthias Matussek doch gehörig auf die Nerven. Völlig zu Recht weist Albrecht von der Lucke, im Hauptberuf Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der SPD-nahen Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte (Januar/Februar 2009) darauf hin, daß es diesen von Originalitätswahn und Geltungssucht geprägten Maulhelden letztlich nur darum geht, größtmöglich auf den Putz zu hauen. Die erzielte Aufmerksamkeit sei ihnen allemal wichtiger als der transportierte Inhalt.

Dieser Zug zum Reißerischen und Marktschreierischen, schreibt der Autor weiter, gelte jedoch für weite Teile der Medienlandschaft in der Berliner Republik, weshalb er sich gleich noch eine zweite Gruppe zur Brust nimmt: die Machtjournalisten. Gemeint sind die Zeremonienmeister der in Deutschland den Ton angebenden Medien, von Stefan Aust (besonders als er noch den Spiegel verantwortete) über Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, bis zu Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner. Alle verbinde ein primäres Interesse an medialer Macht, und zwar Macht in den Medien und über die Medien.

Anhand von Beispielen beschreibt Lucke deren Zusammenarbeit ("Kumpanei"), die der Devise folge: Eine Hand wäscht die andere. Etwa wenn die Bild-Zeitung und der Spiegel die Bücher von Schirrmacher wohlwollend ins rechte Licht rücken, Kai Diekmann dafür später gleichsam im Gegenzug einen Schirrmacher-Text fürs eigene Blatt verwurstet und Schirrmacher wiederum den Film "Der Baader Meinhof Komplex", gedreht nach dem gleichnamigen Buch von Stefan Aust, in den Himmel lobt.

Problematisch an diesem Machtkartell von Meinungsmachern und "Ersatzintellektuellen" sei vor allem, daß es die wechselseitige Kontrolle der Medien untereinander ausschalte. Dies verführe zu Selbstherrlichkeit und fördere "erstaunliche Verantwortungslosigkeit", urteilt Lucke.

Eingerahmt wird seine geharnischte Kritik von weiteren Beiträgen zum Schwerpunktthema "Alpha-Journalisten - die neuen Intellektuellen?" Lesenswert darunter ist vor allem eine Betrachtung, die sich mit alten und neuen journalistischen Wortführern sowie den Auswirkungen der Wirtschaftskrise befaßt. Danach werde die gesamte Medienlandschaft einen "heftigen Umbruch" erleiden, neue publizistische Felder mit "kostengünstigen ökonomischen Konstellationen" werden erschlossen. "Dadurch wird sich auch das Machtgefüge derjenigen ändern, die diesen Medienwandel in unserem Land maßgeblich steuern und prägen."

Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, Friedrich-Ebert-Stiftung, Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin (Redaktion) oder Verlag J.H.W. Dietz, Dreizehnmorgenweg 24, 53175 Bonn. Das Einzelheft kostet 5,50 Euro zzgl. Versand, ein Jahresabo 50,60 Euro. Internet: www.ng-fh.de

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