© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

Meldungen

DDR-Polen: Divergenz und Desinteresse 

BERLIN. Obwohl das SED-Regime den volkspolnischen "Freunden" schon 1950 im Görlitzer Vertrag die Oder-Neiße-Linie als "Friedensgrenze" garantierte, litten die Beziehungen zwischen den "Bruderstaaten" bis 1989 unter ihrer "langlebigen Vergangenheit". Wie Ingo Loose am Beispiel der "polnisch-ostdeutschen geschichtswissenschaftlichen Beziehungen 1950-1970" aufzeigt (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 11/08), fand man vor allem wegen des "Themas Nationalsozialismus niemals richtig zueinander". Die "starke Ideologiebindung" der DDR-Gesellschaftswissenschaften in ihren "kognitiven Kernbereichen", insbesondere bei den Zeithistorikern, habe Polens jüngere Geschichte bis in die Honecker-Zeit hinein ins marxistische Schema gepreßt. Der Polenfeldzug und die NS-Besatzungspolitik sei daher nur als "Auseinandersetzung zwischen zwei imperialistischen Staaten" interpretiert worden. Für die DDR-Forschung habe das "bürgerliche Polen" 1939 sein "wohlverdientes Ende" gefunden. Auch das "besondere Schicksal der Juden im Holocaust", um das sich auch ihre polnische Kollegen nie sonderlich kümmerten, hätten DDR-Historiker bis etwa 1975 "ausgespart". Überdies blieb das wissenschaftliche Interesse am polnischen Nachbarn insgesamt stets gering. 1970 gab es ganze 32 Polonistik-Studenten an DDR-Universitäten. Bis 1989 hätte sich nicht eine einzige populärwissenschaftliche "Geschichte Polens" aus SED-Sicht realisieren lassen.

 

Vertreibung: Streit um Begrifflichkeiten

STUTTGART. Wie stark "politisch aufgeladen" das Thema Vertreibung immer noch sei, werde laut Matthias Stickler (Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 4/08) in aktuellen Sammelwerken deutlich. So bemühe sich Albert S. Kotowski in Dittmar Dahlmanns "Unfreiwilliger Aufbruch" (Essen 2007), für die Deutschen in Polens Grenzen von 1919 nicht von "erster Vertreibung" zu reden, sondern sie zur "Zwangsaussiedlung" abzumildern. Von Manfred Kittels "Deutschsprachige Minderheiten 1945" (München 2007) weiß Stickler zu berichten, daß intern ein heftiger Streit tobte, so daß tschechische Beiträger sich einem gemeinsamen Vorwort verweigerten. Anlaß war eine Studie  Rudolf Lills über die Südtiroler, die zu dem in Prag mit Empörung quittierten Schluß kam, die ethnischen Säuberungen im Osten seien keine Folge des Zweiten Weltkrieges, sondern hätten tiefe Wurzeln im tschechischen oder polnischen Nationalismus.

 

Erste Sätze

Es ist die Art moderner Staatsmänner, so viele Torheiten auszusprechen, wie das Volk verlangt, und nicht mehr davon in die Praxis umzusetzen, als sich mit dem, was sie gesagt haben, verträgt, in der Erwartung, daß die als Folge der gesagten Torheiten geschehenen Handlungen sich bald als Torheiten herausstellen und ihnen eine Gelegenheit geben, zur Wahrheit zurückzukehren, - die Montessori-Methode der Erziehung des Kindes Volk genannt.

John Maynard Keynes: Revision des Friedensvertrages, München/Leipzig, 1922

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