© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/09 06. Februar 2009

"Das ist eine Kampagne"
Kirchenrechtler Georg May bewertet die Piusbrüder kontrovers - und kritisiert ihre Instrumentalisierung gegen den Papst
Moritz Schwarz

Herr Professor May, was steckt eigentlich hinter der Priesterbruderschaft St. Pius X.?

May: Die Piusbruderschaft ist vor 39 Jahren aus dem Protest gegen die "Selbstzerstörung der Kirche", so Paul VI., entstanden. Einerseits hat sie sich stets mutig für den Vorrang der christlichen Wahrheit vor liberaler Beliebigkeit eingesetzt und die Deformierung des Gottesdienstes entschieden bekämpft. Andererseits aber sind einige ihrer theologischen Positionen unhaltbar. Und das sage ich nicht aus parteilicher, sondern aus wissenschaftlicher Sicht und aus Verantwortung für den authentischen katholischen Glauben.

Zum Beispiel?

May: Zum Beispiel ihre Aussagen zur Religionsfreiheit. Man muß wissen: Hauptstreitpunkt zwischen der Piusbruderschaft und der kirchlichen Autorität ist das Zweite Vatikanische Konzil. Die Bruderschaft vertritt etwa die Auffassung, das dort formulierte Bekenntnis zur Religionsfreiheit mindere den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche. Diese Interpretation hält aber einer Überprüfung nicht stand: Tatsächlich geht es nur um das Verhältnis der Religion zum Staat, keinesfalls hat das II. Vatikanum alle Religionen auf eine Stufe gestellt. Ebenso ist ihre radikale Ablehnung der Messe Pauls VI., der sogenannten "neuen Messe", nicht haltbar - und das sage ich als überzeugter Anhänger der Messe Pius' V., der sogenannten "alten Messe"! Aber man muß anerkennen, daß auch die Messe Pauls VI. immer noch alles Wesentliche enthält, was zu einer katholischen Messe gehört. Sicher, sie ist dogmatisch ausgedünnt und spirituell verarmt, aber das bedeutet nicht, daß sie das Wesen der Messe, die unblutige Erneuerung des Opfers Christi, verfehlt.

Die Exkommunikation der Pius-Bischöfe wurde aufgehoben. Die Maßnahmen gegen liberale Kritiker wie etwa Hans Küng nicht. Ist der Papst ungerecht?

May: Ich möchte bemerken: Küng ist nicht exkommuniziert, sondern darf nur nicht mehr als katholischer Theologie lehren, priesterliche Funktionen aber weiter ausüben. Er hat sich von zentralen Inhalten der katholischen Lehre losgesagt. Die Piusbrüder dagegen bestreiten lediglich die eine oder andere Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, die aber keine Glaubenswahrheiten sind.

Warum hat der Papst die Exkommunikation aufgehoben?

May: Der Papst hat väterlich Barmherzigkeit erwiesen und will die Spaltung überwinden. Deshalb diese Geste, eine ausgestreckte Hand. Jetzt ist es an der Piusbruderschaft, den nächsten Schritt zu tun.

Pater Schmidberger, Oberhaupt der Piusbruderschaft in Deutschland, deutet das Motiv Papst Benedikts so: "Der Papst braucht Verbündete." Sammelt Benedikt XVI. durch Zugehen auf konservative Gruppierungen wie Opus Dei oder eben die Piusbrüder Bataillone für seinen konservativen Kurs?

May: Der Papst hat erkannt, daß progressive Bischöfe und Theologen in mancher Hinsicht nicht zuverlässig sind. Es ist ihm klargeworden, daß mit diesen Leuten eine Erneuerung der Kirche nicht zu bewerkstelligen ist. Daher neigt er dazu, Bischöfe zu ernennen, die den katholischen Glauben ungeschmälert verkündigen und die Ordnung der Kirche beachten und durchzusetzen bemüht sind. Nun versucht der Papst die Auswüchse zu korrigieren, die in den vergangenen Jahrzehnten eingerissen sind. Aber machen wir uns nichts vor: Benedikt XVI. steht seit dem ersten Moment seines Pontifikats im Fadenkreuz der progressiven Kräfte. Diesen kommen nun die völlig unhaltbaren Äußerungen des Bischofs Williamson sehr gelegen. Denn letztlich geht es nicht um Williamson, sondern darum, dem Papst zu schaden.

Also eine Kampagne?

May: Natürlich, man sucht den deutschen Papst zu diskreditieren durch die unzulässige Vermischung der historisch unhaltbaren, unsäglichen Äußerungen Williamsons mit der Aufhebung einer Kirchenstrafe. Damit soll suggeriert werden, Williamson wurde genau als Holocaust-Leugner rehabilitiert. Das ist falsch! Der Papst hat ihn als Kirchenglied von einer Kirchenstrafe befreit. Das ist ein religiöser und kein politischer Vorgang und steht in keinerlei Zusammenhang mit dessen Anschauungen über geschichtliche Fragen.

Wer ist dieser Bischof Williamson?

May: Ich kenne ihn nicht. Doch möchte ich soviel bemerken: Kann ein katholischer Geistlicher wirklich Antisemit sein? Denn Antisemitismus ist Haß, und Haß ist keine Kategorie, die mit der christlichen Lehre zu vereinbaren ist. Gleichwohl muß man Williamson ob seiner absurden Äußerungen deutlich machen, daß man in politischer Hinsicht nichts mit ihm zu tun hat. Deshalb kann ich nachvollziehen, daß der Bischof von Regensburg, wo Williamson sein unmögliches Interview gegeben hat, ihm verboten hat, in der Diözese aufzutreten.

Nun wird seine erneute Exkommunikation gefordert.

May: Das ist allerdings nicht weniger abwegig. Die Vergehen, die mit der Exkommunikation bestraft werden, sind im kirchlichen Gesetzbuch enthalten. Es gibt keinen Straftatbestand, der politische oder historische Äußerungen betrifft. Im übrigen überdecken diese schrillen Forderungen, daß zwischen dem Papst und den Piusbrüdern immer noch eine tiefe Kluft herrscht. Nach wie vor sind alle ihre Priester nach dem Urteil des Heiligen Stuhles suspendiert, das heißt, sie haben kein Recht, ihr Amt auszuüben. So zu tun, als ob Papst und Piusbruderschaft ein Herz und eine Seele seien, ist eine völlig falsche Darstellung der Lage und dient allein dem Zweck, den Papst in eine Ecke zu drängen, in die er nicht gehört, um ihn damit in den Augen der Öffentlichkeit zu verunglimpfen.

 

Prof. Dr. Georg May: war bis 1995 Ordinarius für Kanonisches Recht, Staatskirchenrecht und kirchliche Rechtsgeschichte an der Universität Mainz, zuvor lehrte er in München und Freising. Geboren wurde er 1926 in Liegnitz. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Bücher zu katholischen Themen, darunter "Einführung in die kirchenrechtliche Methode" (Pustet, 1986) und "Die Ökumenismusfalle" (Sarto, 2004).

 

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