© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/09 06. Februar 2009

Lale Akgün träumt vom Schlaraffenland
Einwanderung: Die türkischstämmige SPD-Politikerin versucht die Wahl Barack Obamas für ihre eigene Karriereplanung zu nutzen
Doris Neujahr

Kaum war Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, überlegten in Deutschland einschlägige Politiker und Journalisten, wie sein Erfolg sich für den eigenen Hausgebrauch nutzen ließe. Am weitesten ging die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD), die sich gleich selbst als "Bundespräsidentin mit türkischen Wurzeln" empfahl (JF 6/09). Sie forderte "viele Obamas" für Deutschland und daß "die Elite eines Landes die Bevölkerungsstruktur in Zukunft besser widerspiegelt". Sie übersieht, daß die Elite eines Landes kein proportionales Abbild der Bevölkerungsstruktur, sondern die Auswahl der Besten ist. Akgün dagegen definiert den Begriff als einen Anspruch, den die Gesellschaft ihr und ihren Schützlingen zu erfüllen hat - durch Quotierung, Absenkung der Anforderungen oder durch die Aufblähung des Staatsapparates mit Alibiämtern.

Obama steht ganz klar für den regulären Elite-Begriff. Dank hoher Begabung, enormen Fleißes und aufopferungsvoller Großeltern hat er aus kleinen Verhältnissen seinen kometenhaften Aufstieg geschafft. Einen Harvard-Abschluß bekommt man nicht geschenkt oder per Quote zugewiesen. Obama ist auch nicht mit der Absicht gewählt worden, ethnische Minderheiten zu integrieren, sondern weil er eine Mehrheit der Wähler davon überzeugt hat, für das schwierige Amt der Beste zu sein. Er hat es peinlich vermieden, als Sprecher oder gar Rächer der Benachteiligten und Enterbten zu erscheinen. Die Tatsache, daß er eine Identifikationsfigur für ethnische Minderheiten geworden ist, bedeutet nur eine positive Nebenerscheinung.

Wie sieht es dagegen mit Lale Akgün aus? 1953 geboren, kam sie mit zehn Jahren nach Deutschland, hat hier Psychologie studiert, promoviert, in ihrem Internet-Auftritt verweist sie auf wissenschaftliche Aufsätze zum Thema Integration. Aufgefallen ist sie damit nicht, höchstens durch die Bagatellisierung der Konflikte, die muslimische Mitbürger der Mehrheitsgesellschaft bereiten. Natürlich weist sie den Deutschen den Großteil der Verantwortung dafür zu. Damit ist sie die typische Vertreterin einer ethnischen Klientel. Diese würde sie auch als Ministerin oder Bundespräsidentin hätscheln, da ihre eigene Position auf deren Einfluß beruht. Während Obama, wie Akgün schreibt, in seiner Person die Vielfalt des Landes vereint, welche die Stärke Amerikas ausmacht, besteht ihre eigene Primärqualifikation lediglich in den türkischen Wurzeln.

Früh um den  Spracherwerb gekümmert

In Deutschland gibt es immerhin einen smarten Mittdreißiger namens Philipp Rössler, niedersächsischer Landesvorsitzender der FDP und demnächst Wirtschaftsminister in Hannover. Er ist promovierter Mediziner, Spezialist für Herz-Thorax-Gefäßchirurgie, außerdem Sanitätsoffizier der Bundeswehr. Seine kleinen Zwillingstöchter heißen Grietje Marie und Gesche Helene. Noch was? Ach ja, mandelförmige Augen verraten seine vietnamesische Herkunft. Das aber ist der Unterschied zu Akgün: Er absolviert seine Karriere nicht als Minderheitenvertreter, der Sonderrechte beansprucht, sondern als normaler Bürger. Seine Herkunft weckt daher gerade mal soviel Interesse wie der Familienname des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Mazière oder der Vorname des Fußballers Miroslav Klose. Mit Rössler würde man sich über politische Fragen streiten, nicht über vermeintliche Diskriminierungen und religiöse Konflikte.

Nun ist Rössler kein ganz typisch Beispiel für einen integrierten Ausländer, weil er bereits als Kleinkind von deutschen Eltern adoptiert wurde. Aber es ist auffällig, daß vietnamesische Schüler in Deutschland zu den leistungsstärksten gehören. Es sind die Nachkommen vietnamesischer Vertragsarbeiter, die die DDR ins Land geholt hatte. Ihr Deutsch ist perfekt, ihre Abiturquote liegt im Ostteil Berlins fünfmal über jener der türkischen und auch über jener der deutschen Schüler. Und das, obwohl viele von ihnen unter erbärmlichen Bedingungen in Asylbewerberheimen aufgewachsen sind, die Eltern kaum Deutsch sprechen und häufig an der Armutsgrenze leben.

Doch die Eltern haben sich früh um den Spracherwerb der Kinder gekümmert, sie in Kindergärten geschickt und ihnen einen unbändigen Leistungs- und Aufstiegswillen mitgegeben. In einigen Jahren werden sie hervorragende Hochschulabschlüsse in den Händen halten, als Ärzte, Ingenieure, Dozenten, Verwaltungsfachleute, Juristen. Elternversammlungen, Berufsorganisationen, Verbände und auch die Parteien werden, wenn sie klug sind, auf sie zutreten und um ihre Teilnahme werben. Nicht um eine Ethno-Quote zu erfüllen, sondern weil ihre geistige und soziale Kompetenz für das Gemeinwesen unverzichtbar ist. Dieser Prozeß heißt Integration.

Man kann eben nicht, wie Akgün das versucht, sämtliche Zuwandergruppen über einen Kamm scheren. Das ist wissenschaftlich unredlich, politisch gefährlich und hat nur das Ziel, die spezifischen Probleme mit den Muslimen zu vertuschen. Daß auch die Muslime differenziert zu betrachten sind, versteht sich. Aber die deutschen Standards abzusenken, um ihnen pauschal einen sozialen und politischen Aufstieg zu ermöglichen, wäre das Gegenteil der Obama-Geschichte, nämlich die Verwirklichung des Märchens vom Schlaraffenland. Dort wird der Faulste am Ende König.

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