© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/09 13. Februar 2009

Auferstanden aus Ruinen
Kommunismus: Obwohl der Begriff des Antifaschismus in der DDR diskreditiert worden ist, feierte er nach der Wiedervereinigung fröhliche Urstände
Ekkehard Schultz

Bis heute wird der staatstragende Antifaschismus der DDR nicht nur von einem Teil der Mitteldeutschen, sondern auch von vielen Westdeutschen als das "beste Erbe" der SED-Diktatur angesehen. So verwundert es nicht, daß linke Parteien und Organisationen bereits unmittelbar nach der Friedlichen Revolution von 1989 an diese Traditionen anknüpften. Trotz der Belastung des Begriffs durch die Kommunisten, die ihn als Kampfbezeichnung unterschiedslos gegen antikommunistische Kräfte einsetzten, erlebte er nach der Wiedervereinigung eine Renaissance.

Mit den Hintergründen dieser Entwicklung setzte sich jetzt die Historikerin und Publizistin Annette Leo auf einer Veranstaltung der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam auseinander. Als Ausgangspunkt wählte sie die Situation direkt nach der Friedlichen Revolution, als sie an der Neukonzeption der Gedenkstätten in Brandenburg nach 1990 beteiligt war. Zu ihren wesentlichen Aufgaben gehörte damals die Auseinandersetzung mit dem antifaschistischen Erbe der DDR.

Leo erinnerte daran, daß für die ideologische Arbeit der SED bis 1989 die Errichtung von sogenannten antifaschistischen Traditionskabinetten an Schulen, Betrieben und anderen öffentlichen Einrichtungen eine wesentliche Rolle spielte. Diese Kabinette waren vordergründig Opfern der NS-Diktatur gewidmet. Der Sinn dieser Einrichtungen bestand jedoch nicht darin, eine tatsächliche biographische Annäherung oder eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Persönlichkeiten zu ermöglichen. Die wesentliche Aufgabe der Traditionskabinette war vielmehr, den Opfern einen unantastbaren Heldenstatus als antifaschistische Kämpfer zu verleihen, der wiederum der Bestätigung der kommunistischen Ideologie und als Mittel des politischen Kampfes dienen sollte. So fehlte es in den meisten dieser Einrichtungen nicht an direkten Verweisen auf die Schuld der vermeintlich sozialdemokratischen "Spalter der Arbeiterklasse" an der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

17. Juni 1953 als "faschistischer Putsch"

Ebenso wurde in fast jedem Kabinett darauf hingewiesen, daß im Westen Deutschlands immer noch die kapitalistische Gesellschaftsordnung existiere, die die Vorstufe zum Faschismus darstelle. Genau auf dieser Ebene betrieb die SED ihre Geschichtspolitik gegen die Bundesrepublik und die Opposition. Schon in der frühen DDR setzte die Inflation des Faschismusbegriffs ein. In den fünfziger und sechziger Jahren wurde die Adenauer-Regierung als "faschistisch" bezeichnet, so Leo. Der 17. Juni 1953 galt nach kommunistischer Sprachregelung als "faschistischer Putsch", und der Bau der Berliner Mauer wurde als Errichtung eines "antifaschistischer Schutzwalles" verklärt. Erst in den letzten Jahren der DDR habe sich ein langsamer Wandel in der Definition des Faschismus abgezeichnet. So fanden nunmehr auch sozialdemokratische, christliche und konservative Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur eine stärkere Berücksichtigung. Dennoch wurde weiterhin auf die bestimmende Rolle der Kommunisten im Kampf gegen den Faschismus verwiesen, auf der unter anderem der Führungsanspruch der SED beruhte.

Als nach 1989 viele dieser Traditionskabinette wegen ihrer ideologischen Belastung aufgelöst beziehungsweise modifiziert wurden, mußten sich die daran beteiligten Historiker viele Vorwürfe gefallen lassen. Ihnen wurde vorgeworfen, sich "vor den Karren der Rechten spannen" zu lassen. In diesen Auseinandersetzungen offenbare sich nicht nur ein Konflikt über den Gehalt der Vokabel "Antifaschismus" als solcher, sondern ebenso die Vermischung von historischen und politischen Intentionen, betonte Leo.

Dies zeige sich bis heute auch in dem Streit um den vermeintlich "richtigen" und "falschen" Antifaschismus. Grundsätzlich sei jedoch zumindest die moralische Komponente des Begriffs ein wesentlicher Bestandteil des Wertefundaments vieler Bürger geblieben. Die eigentliche politische Bedeutung trete dagegen zunehmend zurück. Heute ist der Antifaschismus in erster Linie ein "Beharren auf alten Gewißheiten", sagte Leo. so bedaure ich das sehr und entschuldige mich ausdrücklich."

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