© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

Auf Kosten der anderen
Protektionismus als Scheinlösung mit Spätfolgen
Bernd-Thomas Ramb

Da zahlt der deutsche Staat jedem deutschen Autobesitzer eine Abwrackprämie, wenn er sein mehr als zehn Jahre altes Auto verschrottet und einen Neuwagen kauft, und was passiert? Die Deutschen nutzen das massenhaft aus, kaufen aber verstärkt japanische oder französische Kleinwagen: unterm Strich also noch mehr deutsche Staatsschulden zur Unterstützung der ausländischen Automobilindustrie. Italien und Frankreich machen das augenscheinlich besser. Sie unterstützen gezielt ihre nationalen Automobilhersteller mit der Auflage, die Arbeitsplätze in ihrem Land zu erhalten. Protektionismus wird so etwas genannt, Schutz der einheimischen Wirtschaft.

Sind die Deutschen mal wieder die Blöden, die treudoof für die anderen bezahlen? Die ökonomisch-historische Erfahrung lehrt, daß protektionistisches Verhalten letztlich allen schadet. Wer verhindert, daß ausländische Produkte gekauft werden, bewirkt, daß inländische Produkte nicht mehr exportiert werden. Im Normalfall sorgen dafür die unterschiedlichen Währungen. Wenn die Amerikaner keine deutschen Autos mehr kaufen, weil sie nun Cadillacs oder Chevrolets statt BMW oder Mercedes bevorzugen (sollen oder müssen), dann fehlten in Deutschland die Dollar, mit denen im Gegenzug amerikanische Waren eingekauft werden können.

Zum Glück beläßt es die US-Politik einstweilen bei der zwanglosen Empfehlung "Buy American". Vielleicht hofft Präsident Obama auf seinen besonderen Messias-Effekt, denn sein Vorgänger Ronald Reagan hatte die gleiche Methode in den 1980er Jahren versucht - vergeblich. Die Amerikaner bevorzugten weiterhin die qualitativ besseren Fahrzeuge aus Europa oder die preiswerten Kleinwagen aus Asien. So kamen weiterhin genügend Dollar ins Ausland, um beispielsweise im Gegenzug US-Flugzeuge zu kaufen. Darüber hinaus waren die amerikanischen Autobauer gezwungen, die Qualität ihrer Fahrzeuge gründlich zu verbessern und kostengünstigere Produktionsweisen zu entwickeln.

Innerhalb der EU ist der heilsame Währungsmechanismus durch den Euro außer Kraft gesetzt. Protektionistische Akte, die über die Unverbindlichkeit der Kaufempfehlung hinausgehen, wirken im multinationalen Euro-Land entsprechend brutaler. Wohlfahrtsverluste entstehen dabei nach wie vor auf beiden Seiten. Viele Italiener und Franzosen würden möglicherweise lieber Fahrzeuge von Volkswagen oder Opel kaufen, begnügen sich aber aufgrund der vom Staat subventionierten niedrigeren Preise mit einem Fiat oder Renault oder Peugeot. Das schmerzt durchaus den französischen Autofahrer, vor allem aber den deutschen Automobilarbeiter.

Hier fehlen nun nicht mehr der französische Franc, um Bordeaux und Weichkäse zu kaufen, sondern Euro-Einkommen generell: Euro, die beispielsweise benötigt werden, um an Spaniens Küsten Urlaub zu machen. Der französische Protektionismus schadet also nicht nur den deutschen Automobilarbeitern (und im Rückschlag den französischen Käseproduzenten), sondern auch der spanischen Tourismusindustrie.

Die neoprotektionistischen Bestrebungen innerhalb der Eurozone brechen das Versprechen, daß der Euro als "Krönung" des gemeinsamen Binnenmarktes eingeführt wurde. Die Preisgabe der nationalen Währung als Schutzschild vor ökonomischen Nationalegoismen vertraute auf der Unantastbarkeit des Euro-Wirtschaftsraums. Das Wiederaufflammen nationalpopulistischer Protektionsattacken trifft Deutschland besonders hart. Mehr als die Hälfte des deutschen Exports geht in die Nachbarländer der Eurozone. Wenn sich diese nun auf Kosten Deutschlands zu sanieren trachten, kommt das einer Aufkündigung der Europäischen Union gleich.

Die panikartigen Interventionsversuche der EU-Kommissare sind daher nur allzu verständlich. Es geht um den Kernkonsens der EU. Es geht um den Binnenmarkt und letztlich um den Euro.

Andererseits wäre die deutsche Regierung gut beraten, Protektionismus nicht mit Protektionismus zu vergelten. Damit würden Handelskriege offen erklärt. Die Vorteile, die sich protektionistische Länder auf Kosten Deutschlands und an-derer Staaten erkaufen wollen, sind eher kurzfristig und noch zweifelhafter als die Wirkungen staatlicher Konjunkturpro-gramme. Protektionistische Verordnungen schaden letztlich dem Urheber. Sie erhal-ten Wirtschaftsbetriebe, die auf dem freien Markt nicht überlebensfähig sind, weil es an Qualität zum akzeptablen Herstel-lungspreis fehlt. Beides wird durch Schutzmaßnahmen nicht verbessert, sondern in ihren Mängeln verkrustet.

Auf Dauer siegt stets das bessere Produkt. Doch wie kann eine exportbehinderte Industrie die zwischenzeitliche Durststrecke überleben - zumal, wenn diese durch eine gemeinsame Währung verlängert und verschlimmert wird? Deutschland hat zwei Optionen: Zum einen die Bevölkerung darauf einzustimmen, daß harte Zeiten bevorstehen und der Gürtel noch enger zu schnallen ist, zum zweiten den protektionistischen Nachbarn unmißverständlich klarzumachen, daß mit ihrer binnenmarktfeindlichen Haltung der ohnedies ungeliebte Euro zur Disposition steht. Erst den Deutschen die D-Mark wegnehmen und ihnen dann die Exportmöglichkeiten beschneiden geht nicht.

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