© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

"Entscheidung in den nächsten zehn Jahren!"
Eva Klotz ist eine Ikone der Südtiroler Unabhängigkeitsbewegung. Mit ihrer neuen Partei will sie den Durchbruch schaffen
Moritz Schwarz

Frau Dr. Klotz, die Süd-Tiroler Freiheit ist nach den Freiheitlichen und vor der Union für Süd-Tirol (UfS) die zweitstärkste oppositionelle deutsche politische Kraft im Land. Warum schließen sie sich nicht zusammen?

Klotz: Bekanntlich habe ich die UfS 1989 mitbegründet und jahrelang fast alleine finanziert. Doch haben wir uns im Mai 2007 getrennt, weil unser Haupt-Programmpunkt, das Selbstbestimmungsrecht, unter die Räder geriet. Die heutige UfS spielt ein falsches Spiel, und mit ihr haben wir nichts mehr zu tun. Und mit 2,3 Prozent und nur einem sogenannten "Restmandat" scheint sie auch die Wähler nicht zu überzeugen.

Mit 4,9 Prozent und zwei Sitzen sind Sie allerdings auch kein politisches Schwergewicht.

Klotz: Ja, aber es ist mehr, als es sich in bundesdeutschen Ohren anhört, denn man muß bedenken, daß unser Landtag nur 35 Sitze hat. Außerdem gibt es die Süd-Tiroler Freiheit erst seit eineinhalb Jahren, die UfS schon seit 1989. Insofern können wir auf unseren Erfolg stolz sein. Mit Pius Leitner und seinen Freiheitlichen dagegen arbeiten wir in allen Volkstumsfragen im Landtag konstruktiv zusammen.

Was trennt dann die beiden Parteien?

Klotz: Vor allem Weltanschauliches. Während die Freiheitlichen inhaltlich ähnlich ausgerichtet sind wie die italienische Lega Nord und die österreichische FPÖ, deren Erfolg ja 1992 überhaupt den Anstoß zur Gründung der südtiroler Freiheitlichen gegeben hat, bekennen wir uns zu einer offeneren Haltung: Wir fragen zum Beispiel nicht nach der religiösen oder sexuellen Identität einer Person, sondern einzig und alleine danach, was jemand bereit ist, für die Heimat zu tun. Ich würde also nicht von einer Zersplitterung sprechen. Im Gegenteil: Wir binden Wähler für die Sache der Unabhängigkeit Südtirols ein, die die Freiheitlichen nicht erreichen würden.

Aber auch wenn man die 14,3 Prozent der Freiheitlichen addiert, reicht das noch lange nicht für die Unabhängigkeit.

Klotz: Es ist ganz klar, daß es ohne den Großteil der Stimmen, die heute noch die SVP auf sich vereinigt, nicht geht. Aber ich sehe einen doppelten Auftrag für uns: Erstens dafür zu sorgen, daß die Unabhängigkeitsdebatte in Südtirol nicht zum Erliegen kommt. Zweitens: Die SVP verliert massiv an Wählerschaft. Es gilt, für die Situation, die sich künftig daraus ergibt, bereit zu sein.

Wie sieht also Ihr Fahrplan zur Unabhängigkeit konkret aus?

Klotz: Wir streben als erstes eine Volksabstimmung an. Ich kann Ihnen aber kein Datum für den nächsten Schritt nennen. Es geht dabei nicht um einen institutionellen Fahrplan, sondern darum, ein Bewußtsein zu schaffen, das es nicht mehr zuläßt, diese Frage nicht zu lösen.

Sie sprechen gern vom Vaterland Österreich.

Klotz: Persönlich werde ich für die Wiedervereinigung Tirols stimmen, ja. Aber wenn die Mehrheit für eine Unabhängigkeit Südtirols votiert, dann ist das zu akzeptieren.

Und würde sie das tun?

Klotz: Derzeit liefe es wohl auf eine Entscheidung zwischen dem Verbleib bei Italien oder völliger Unabhängigkeit Südtirols hinaus. Aber das könnte sich rasch ändern, falls die EU klarmachen sollte, daß sie neue Staaten nicht anerkennt, und somit eine Wiedervereinigung mit Tirol, also mit Österreich, die einfacher zu realisierende Alternative zu einem Verbleib bei Rom werden sollte.

Die staatliche Diaspora Südtirols währt nun schon neunzig Jahre. Warum sollte sich ausgerechnet jetzt daran noch etwas ändern?

Klotz: Viele Dinge, die für die Ewigkeit entschieden zu sein schienen, haben sich in kürzester Zeit gewandelt. Ich erinnere nur an die Wende in Osteuropa in diesem Herbst vor zwanzig Jahren. Es war das Versagen der SVP, die damit entstandene Dynamik nicht auch für Südtirol genutzt zu haben. Ziel der Süd-Tiroler Freiheit ist, die nächste Chance nicht zu verpassen. Ich glaube, die Tendenzen in Europa kommen uns zugute: Der Kosovo hat seine Unabhängigkeit bereits erreicht. Basken und Katalanen machen Fortschritte. Die Schotten haben mit dem Wahlsieg der Scottish National Party 2007 einen Durchbruch erzielt und werden früher oder später nach der Unabhängigkeit greifen.

Mit welchem Zeithorizont rechnen Sie also?

Klotz: Wir streben an, die Entscheidung etwa innerhalb der nächsten zehn Jahre herbeizuführen: Denn sonst verlieren wir möglicherweise die Mehrheit im Land! Das Problem sind nicht nur die etwa dreißig Prozent Italiener, sondern auch die heute schon rund fünf Prozent Nicht-EU-Bürger im Land. Diese Einwanderer, vor allem aus Nordafrika, kommen ja im Bewußtsein hierher, sie kämen nach Italien. Sie integrieren sich also vor allem in die italienische Kultur und Sprache. Sie werden daher wohl auch für Italien votieren - und ihre Zahl wächst. Aber wir haben diese Gefahr klar erkannt und sind diesmal fest entschlossen, unsere Chance vorher zu ergreifen.

 

Dr. Eva Klotz Jahrgang 1951, ist Gründerin, Landtagsabgeordnete und eine von fünf gleichberechtigten Vorsitzenden der Partei Süd-Tiroler Freiheit ( www.suedtiroler-freiheit.com ). Zuvor gründete sie schon die Union für Südtirol (UfS).

 

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