© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

Wenn das eigene Programm nichts mehr gilt
Familienpolitik: Die Ausladung von Eva Herman und Christa Meves durch die niedersächsische CDU wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der Partei
Jochen Arp

Seit Jahr und Tag lädt der umtriebige örtliche Vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU, einer selbständigen Organisation ähnlich der Jungen Union oder der Mittelstandsvereinigung mit einem eigenen Vorstand, in Hannover zu Vortragsveranstaltungen ein, die stets gut besucht sind. Felix Schecke, dem Kreisvorsitzenden der OMV, gelingt es immer wieder, kompetente, wenn auch manchmal unbequeme Redner zu gewinnen, die sich mit Fragen der Zeitgeschichte, der Kultur, Wirtschafts- oder Gesellschaftspolitik auseinandersetzen, häufig konservativ grundiert. Ursprünglich hatte die OMV die Aufgabe, Vertriebene und Flüchtlinge, heute auch Spätaussiedler aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion an die CDU zu binden, und diese Menschen tendieren selten politisch nach links.

Anfang Februar erhielten die Mitglieder und Gäste der OMV Hannover einen Brief mit dem Absender "CDU Kreisverband Hannover Stadt". Darin wurde den Eingeladenen mitgeteilt, man habe ihnen zwar eine Einladung zu einer OMV-Veranstaltung am 12. Februar zum Thema "Um ein neues Frauenbild" geschickt, doch werde diese Veranstaltung "aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des geschäftsführenden Kreisvorstandes der CDU Hannover Stadt abgesagt". Das Pikante daran: Der CDU-Kreisvorstand hatte gar nicht die Kompetenz, die Veranstaltung der OMV abzusagen.

Wertekompaß wird neu ausgerichtet

Als sich Empfänger der Absage neugierig bei der CDU-Geschäftsstelle in Hannover nach den Gründen erkundigten, bekamen sie unterschiedliche Antworten: Als Rednerinnen seien auf der Veranstaltung die Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Christa Meves sowie die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman vorgesehen gewesen. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, daß ausgerechnet Herman bei einer CDU-Organisation im Bundestagswahlkreis von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen auftrete. Die zweite Antwort lautete, das Frauen- und Familienbild, das Herman wie auch Meves vertritt, entspreche nicht den Auffassungen der CDU.

Wer einen Blick wirft in das unter dem Titel "Freiheit und Sicherheit" im Dezember 2007 beschlossene CDU-Grundsatzprogramm, liest unter dem Stichwort "Die Familie - Fundament der Gesellschaft" unter anderem: "Für uns ist die Familie das Fundament der Gesellschaft. (....) Die Ehe ist das Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau. Ehe und Familie brauchen unsere Unterstützung. Jedes Kind braucht persönliche Zuwendung, Begleitung, Liebe, Vorbild und Autorität der Eltern. Die Entwicklung der personalen Eigenständigkeit und der Gemeinschaftsfähigkeit, des Werte und Verantwortungsbewußtseins hängt wesentlich von der Erziehung in der Familie ab."

Genau das aber sind auch die Grundsätze der weithin bekannten Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Meves, die sie in 113 Publikationen immer wieder vertreten hat, und auch Herman hat nichts anderes getan, als das traditionelle Familienbild zu verteidigen und weiterzuentwickeln, weswegen sie rüden Angriffen ausgesetzt war. Soll das alles für die moderne CDU nicht mehr gelten?

Die Distanzierung der CDU von den zwei prominenten Vertreterinnen dieser Grundsätze erscheint besonders skurril, weil Herman gerade in den vergangenen Monaten einen Prozeß nach dem anderen gewonnen hat, den sie wegen Verleumdungen und Falschdarstellungen dessen, was sie angeblich zur Familienpolitik gesagt haben soll, führen mußte. Der NDR, der sich von ihr getrennt hatte, weil sie angeblich die "Nazi-Zeit verherrlicht" habe, mußte sich vom Landesarbeitsgericht Hamburg belehren lassen, daß es kein einziges Zitat von Eva Herman gebe, das eine derartige Verherrlichung belege. Vor dem Landgericht Köln gewann sie einen Prozeß gegen den Springer-Verlag, in dessen Hamburger Abendblatt Eva Herman mit einem gefälschten Zitat abqualifiziert worden war, das von mehreren Zeitungen übernommen wurde. Der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner hatte sie als "dumme Kuh" angepöbelt, wofür Springer jetzt Schmerzensgeld zahlen und sich verpflichten mußte, das gefälschte Zitat nicht mehr zu verwenden. Auch das ZDF hatte eine angebliche Herman-Aussage gefälscht, auf die es in Zukunft verzichten muß. Von der Beschuldigung, Herman habe in irgend­einer Weise die Nazi-Zeit verherrlicht, blieb nichts übrig. Und trotzdem rückt die CDU von ihr ab und verleugnet die eigenen Grundsätze.

Die Ausladung von Herman und Meves in der Provinz wie auch die jüngsten Angriffe von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Papst, mit denen die CDU-Chefin viele Katholiken vor den Kopf gestoßen hatte, haben bei allen Unterschieden eins gemeinsam: Sie deuten darauf hin, daß die Union ihren Wertekompaß offenbar konsequent neu ausrichtet - konservative CDU-Wähler dürften dabei den kürzeren ziehen. so bedaure ich das sehr und entschuldige mich ausdrücklich."

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