© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

"Die Grenzen am Brenner sind weg"
Europaregion Tirol: Die Feiern im Andreas-Hofer-Jahr betonen die Landeseinheit / Mehrheit hat sich mit der Autonomie arrangiert
Peter Wassertheurer

Dieses Jahr steht ganz im Zeichen des 200. Gedenkens an den Tiroler Freiheitskampf. Das Jubiläum ist untrennbar mit der Person von Andreas Hofer verbunden, der am 20. Februar 1810 in Mantua (Mantova) von napoleonischen Soldaten erschossen wurde. Bis heute trägt der Volksheld zur Identität Tirols bei - sein Todestag ist ein offizieller Gedenktag. Hofer ist Mythos und Märtyrer zugleich, ein Freiheitsheld für alle Tiroler. Er war stur, der katholischen Kirche treu ergeben, bigott, ein Draufgänger mit patriotischem Herzen. Mit diesen Attributen identifizieren sich die Tiroler bis heute.

"Südtirol hat eine gesicherte Autonomie"

Bereits 1959 und 1984 feierte man dieses Jubiläum und erinnerte dabei eindringlich an den drohenden Identitätsverlust Südtirols. Vor 50 Jahren durften die Schützen erstmals wieder in Südtirol öffentlich aufgetreten. Sie waren es auch, die damals den Kult um Andreas Hofer und die Helden jener Tage im Kampf um die Freiheit Tirols neu belebten. Am 13. September 1959 trugen Südtiroler Schützen eine Dornenkrone als Zeichen für den Leidensweg Südtirols durch Innsbruck. Die italienische Zentralregierung in Rom reagierte gereizt. Einer österreichischen Delegation wurde sogar die Einreise nach Italien verboten. 25 Jahre später sorgte die Dornenkrone der Südtiroler Schützen bei der 175-Jahr-Feier neuerlich für Aufregung. Auf Spruchbändern und Flugblättern riefen sie die Nordtiroler auf, im "Kampf gegen die Fremdherrschaft" mitzumachen.

Im Gedenkjahr 2009 ist vieles anders. Man beschwört die Einheit des Landes in der Europaregion Tirol. Der Tonfall ist weniger aggressiv und auf Versöhnung ausgerichtet. Die Autonomie Südtirols steht als Beispiel für den europäischen Integrationswillen und kulturelle Vielfalt. Die Dornenkrone wird deshalb beim 200-Jahr-Jubiläum fehlen. Andreas Khol (ÖVP), österreichischer Nationalratspräsident in der Zeit der Kanzlerschaft Wolfgang Schüssels, erklärt das so: "Wir leben in der Europaregion Tirol, die Grenzen am Brenner sind weg, Südtirol hat eine gesicherte Autonomie, wir haben eine Landeseinheit, die wir alle uns vor 15 Jahren noch nicht erträumt haben, und daher brauchen wir heute ein anderes Symbol."

Die seit 1952 ununterbrochen regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) sieht das ähnlich. Nur die Freiheitlichen, die Süd-Tiroler Freiheit und die Union für Südtirol (UfS) treten weiter - mit unterschiedlichem Akzent - für die staatliche Einheit Tirols ein (JF 45/08). Auf italienischer Seite stellt vor allem die rechte Unitalia von Donato Seppi die Autonomie offen in Frage.

Südtirol, das österreichische Nord- und Osttirol sowie das italienisch- und ladinischsprachige Welschtirol (Trentino) organisieren gemeinsam zehn Veranstaltungen. Diese Zusammenarbeit ist Symbol für die Einheit des Landes und steht für ein grenzenloses Miteinander. Den Auftakt der zahlreichen Feierlichkeiten bildet am 21. Februar eine gemeinsame Sitzung der Landesregierungen von Südtirol, dem Bundesland Tirol und der Autonomen Provinz Trient auf Schloß Tirol.

Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) eröffnet im Anschluß mit den Amtskollegen Günther Platter (ÖVP) und Lorenzo Dellai (Union für das Trentino) die neue Dauerausstellung "Helden & Hofer" im Museum Passeier in St. Leonhard. Die Wanderausstellung "Tirol 1809-2009: Vom Freiheitskampf zum Kassenschlager" und die Südtiroler Landesausstellung "Labyrinth::Freiheit" zeigen, in welchem sozialen Umfeld sich der Mythos um Andreas Hofer entwickelte und wie mit dem Begriff Freiheit umgegangen wird.

Mythenbildung, Werte, Selbstreflexion und die Suche nach Identität bestimmen die Themenpalette der Veranstaltungen. Allein die Bühnen des Südtiroler Theaterverbands bringen 17 Stücke über Andreas Hofer zur Aufführung. In ihnen wird die Tradition des Freiheitskampfes als Metapher für eine kritische Bestandsausnahme Tirols verwendet. Hier wartet viel Zeitgenössisches auf die Besucher. Mit dem Thema Identität beschäftigt sich auch das Projekt "Geschichte trifft Zukunft". Die Initiatoren möchten zeigen, welche Werte und Klischees Jugendliche mit Heimatgeschichte assoziieren. Sie sollen ihre Ideen zur Zukunft Tirols in Filmen, Literatur und Musik, Fotografie und Bildgestaltung artikulieren.

In zahlreichen Lesungen und Symposien wird über das Südtiroler und Tiroler Landesarchiv eine Fülle an neuer Literatur zum Gedenkjahr 1809 präsentiert. In die wissenschaftliche Aufarbeitung der Hofer-Rezeption sind die beiden Universitäten in Innsbruck und Triest eingebunden. Auch das Genre Film ist in Form zahlreicher Dokumentationen vertreten. Am 20. September werden schließlich die Schützen aus Nord- und Südtirol wieder durch Innsbruck marschieren. Die Veranstalter erwarten bis zu 23.000 Besucher.

Der aktuelle Veranstaltungskalender zum Andreas-Hofer-Jahr in Internet: www.1809-2009.eu/uploads/veranstaltungskalender.pdf

Die Landesausstellung "Labyrinth::Freiheit" in der Franzensfeste: www.lab09.net

Südtiroler Schützenbund: www.schuetzen.com

Informationen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino: www.europaregion.info

Tirol-Atlas: http://tirolatlas.uibk.ac.at

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