© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/09 27. Februar 2009

Mit der Axt an die Wurzel
Finanzkrise: Das Enteignungsgesetz ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Regierung die Aktie diskriminiert
Wolfgang Philipp

Vorige Woche hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Zwangsenteignung angeschlagener Banken gebilligt. Das Kabinett will mit dem „Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes“ (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz/FMStErgG) vor allem die Voraussetzung dafür schaffen, daß der Bund bis Ende Juni die Mehrheit an der wankenden Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) erhalten kann. Bis Anfang Februar hatte die HRE Garantien und Eigenkapital im Umfang von 102 Milliarden Euro eingestrichen – 87 Milliarden Euro kamen vom Staat. Weitere Milliarden Euro sollen angeblich demnächst nötig sein.

„In dieser Krisensituation ist es fundamentale Aufgabe des Staates, das Vertrauen in den Finanzmarkt wiederherzustellen und eine weitere Zuspitzung der Finanzmarktkrise zu verhindern“, heißt es in der Begründung zum FMStErgG. Zuerst sollen damit die „zivil- und gesellschaftsrechtlichen Handlungsoptionen“ des Staates erweitert werden. Sollten diese aber „nicht ausreichen, um in dem für die Sicherung der Finanzmarktstabilität erforderlichen Zeitraum eine rechtssichere und wirtschaftlich zumutbare Lösung zu erreichen“, dann räumt das Gesetz „die Option einer Verstaatlichung als Ultima ratio ein“.

Kritik am FMStErgG-Entwurf kam nicht nur von FDP und Wirtschaft, sondern auch aus der Kanzler-Partei. „Enteignung wäre Verrat am Profil der Union“, warnte der Europaabgeordnete Kurt Lauk, der zugleich Präsident des CDU-Wirtschaftsrats ist. „Das Gesetz ist so unbestimmt, daß es Unsicherheiten und Auslegungsspielräume bietet“, sagte Josef Schlarmann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, im Deutschlandfunk. Diese könnten zu einem Fall für das Bundesverfassungsgericht werden. „Mit der Möglichkeit, daß Banken und Aktionäre enteignet werden können, setzen wir das Signal, daß Eigentum in Deutschland nicht mehr geschützt ist“, so Schlarmann.

Doch schon vor der Finanzmarktkrise hat die schwarz-rote wie die rot-grüne Bundesregierung die Aktie als Institution schwer beschädigt. Aktien versorgen Unternehmen mit Eigenkapital. Krisen können bei hohem Eigenkapital auch dann abgefangen werden, wenn bei Fremdfinanzierung die Insolvenz drohte. Auch die Sicherheit der Arbeitsplätze hängt von der Eigenkapitalausstattung ab. In den Finanzmärkten wirkt Eigenkapitalfinanzierung stabilitätssichernd, weil sie nicht wie Kredite zu Geldschöpfungseffekten führt.

Nach dem Krieg hatten die Gesellschaften ihr Eigenkapital verloren und waren auf Fremdfinanzierung angewiesen. Ein Kapitalmarkt entstand nur langsam. Gewinne waren bei der AG mit Körperschaftssteuer und als Dividenden beim Aktionär nochmals mit Einkommensteuer belastet. Es war ein gefeierter Durchbruch, als 1976 diese Doppelbesteuerung der Aktien abgeschafft und durch ein Anrechnungsverfahren ersetzt wurde: Fortan wurden die von der AG auf ausgeschüttete Dividenden gezahlten Körperschaftsteuern wie Vorauszahlungen der Aktionäre auf ihre eigene Einkommensteuer behandelt.

Zusätzlich wurde angestrebt, den Bürgern mit ihren Ersparnissen Zugang zu den „Produktionsmitteln“ zu ermöglichen und den Kapitalmarkt für die Eigenfinanzierung der Unternehmen zu erweitern. Belegschaftsaktien, Volksaktien und ein Sparerfreibetrag sollten diesem Ziel dienen. Dieser belief sich auf 3.000 D-Mark, dann auf 1.550 Euro jährlich. Ab 2004 begann eine Reduktion auf 1.370 Euro, ab 2007 auf 750 Euro. Ab 2008 wurde er ganz abgeschafft. An seine Stelle trat ein „Werbungskostenpauschbetrag“ von 801 Euro.

2001 schaffte die Regierung Schröder das Anrechnungsverfahren wieder ab und ersetzte es durch ein „Halbeinkünfteverfahren“: Die Gesellschaften zahlten nunmehr 25 Prozent Körperschaftsteuer plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag, die Dividenden waren aber bei den Aktionären zur Reduzierung der neuen Doppelbesteuerung immer nur zur Hälfte steuerpflichtig. Breiten Schichten wurde bis dahin also über Dividenden (auch zur Alterssicherung) ein zum Teil steuerfreies zweites Einkommen ermöglicht – und die Wirtschaft besser im Industriestaat Deutschland verankert. Das ist heute der Regierung ein Dorn im Auge. Die „Volksaktien“ sind schon durch das Telekom-Desaster in Verruf gebracht worden.

Die Beseitigung des Sparerfreibetrages ab 2008 vertreibt das Volk aus den Aktien. Ab 2009 wird das Halbeinkünfteverfahren wieder abgeschafft, allen Dividenden von den Banken 26,375 Prozent Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag abgezogen. Nimmt man die ab 2009 zu zahlende Körperschaftsteuer von nunmehr 15 Prozent auf den Gewinn vor Ausschüttung hinzu, so ergibt sich eine Belastung der ausgeschütteten Dividenden von rund 44 Prozent.

Zinsen werden hingegen nur mit 26,375 Prozent besteuert. Die Aktie wird diskriminiert. Der Bund räumt den Kapitalmarkt für sich ab, um seine neuen Milliarden-Kreditaufnahmen unterzubringen und billig zu finanzieren. Mit Werbespots propagiert er Staatsanleihen als „besonders günstige Anlagen“, obwohl diese nach Steuern und Inflation kaum Rendite bringen und ihre Bonität immer zweifelhafter wird. Trotzdem sollen die Leute Bundesanleihen statt Aktien kaufen, eine Umwertung aller marktwirtschaftlichen Werte.

Der nächste Schlag ist die ab 2009 eingeführte Besteuerung von Kursgewinnen mit ebenfalls 26,375 Prozent. An den Verlusten beteiligt sich der Staat nicht. Dadurch haben Aktien ihren Reiz verloren, eine Massenflucht aus der Aktie setzte ein. Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfonds sank von 13 Millionen auf 8,8 Millionen Personen. Besonders aktienfeindlich treten die SPD-Minister Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier auf. Sie wollen erreichen, daß die Unternehmen „Rücklagen zur Beschäftigungssicherung“ bilden, statt Dividenden zu zahlen. Für sie ist eine Aktiengesellschaft nur noch Beschäftigungsgesellschaft.

Daß auch Kapital ein Produktionsfaktor ist, scheinen sie nicht zu wissen. Die Unternehmen sollen letztlich für Rechnung des Staates und allenfalls der Arbeitnehmer geführt werden. Eine „Börsenumsatzsteuer“ soll die Aktionäre zusätzlich schröpfen. Auch hat die Gesetzgebung erreicht, daß Fremdfinanzierung günstiger ist als Eigenkapital – eine stabilitätsgefährdende Situation. Als neue Stufe dieser Revolution von oben will die Regierung mit dem FMStErgG AGs verstaatlichen und die Aktionäre enteignen. Mit allen diesen Maßnahmen legt die Bundesregierung die Axt an die Wurzel der privaten Wirtschaft: Der Staatssozialismus taucht wieder auf.

Es ist ein schwerer Fehler, die „Krise“ nur durch kreditrefinanzierte Maßnahmen des Staates lösen zu wollen. Besser wäre es, die Ersparnisse der Bevölkerung durch Begünstigung des Aktiensparens zu mobilisieren, damit diese dem Kapitalmarkt zur Verfügung stehen und das Eigenkapital der Firmen stärken. Wenn am Ende der Staat und die Unternehmen nur Schulden haben, ist kein Problem gelöst.

Foto: Schlechte Börsennachrichten: Die Ersparnisse durch Begünstigung des Aktiensparens mobilisieren

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