© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/09 06. März 2009

Frisch gepresst

Landsberg. Am 9. Mai 1958 verließen die letzten vier Häftlinge das „Kriegsverbrecher-Gefängnis“ in Landsberg am Lech. Noch am selben Abend wurde die US-Flagge vor dem Gebäudekomplex niedergeholt. Damit endete ein Stück Nachkriegsgeschichte. Saßen hier doch viele Prominente aus der Führungsebene des nationalsozialistischen Deutschen Reiches ein, wie Staatssekretär Ernst von Weizsäcker oder Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk. Ebenso hohe SS-Ränge, zum Tode Verurteilte aus den „Nürnberger Folgeprozessen“ wie Otto Ohlendorf oder Oswald Pohl, die in Landsberg hingerichtet wurden. Opfer einer, wie Thomas Raithel meint, nur „vermeintlichen ‘Siegerjustiz’“. Buchhalterisch penibel und politisch korrekt dokumentiert Raithel die Geschichte dieses historischen Ortes in seiner im Auftrag des Münchner Instituts für Zeitgeschichte erstellten Arbeit über „Die Strafanstalt Landsberg am Lech und der Spöttinger Friedhof (1944–1958)“ (R. Oldenbourg Verlag, München 2009, gebunden, 197 Seiten, Abbildungen, Lageplan, 29,80 Euro). Nicht vergessen werden dabei auch jene Gräber, die auf ein bis vor kurzem unerforschtes Kapitel der Kriminalgeschichte hinweisen: die Straftaten der aus KZ und Kriegsgefangenenlagern befreiten „Displaced Persons“ zumeist polnischer, jüdischer und russischer Herkunft während der „Stunde Null“ 1945/46. So fanden auch eine Anzahl von Mördern und Raubmördern, die von der US-Militärjustiz dem Henker übergeben wurden, ihre letzte Ruhe in Landsberg.

Ausnahmezustand. Wolfgang Hetzer, Fachpublizist zum Thema „Sicherheit“ und als Ministerialrat im Bundeskanzleramt unter Schröder nicht politikunerfahren, hat sich eines brisanten Themas angenommen („Rechtsstaat oder Ausnahmezustand“ – Souveränität und Terror. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2008, broschiert, 331 Seiten, 38 Euro). Es geht um die seit dem 11. September 2001 wieder und wieder diskutierten „Grenzen des Rechtsstaates“, die dort liegen könnten, wo es um eine effiziente „Terrorabwehr“ geht. „Folter“ zwecks Prävention oder die Erlaubnis, von Terroristen entführte Flugzeuge abschießen zu dürfen, zuletzt der „Nacktscanner“, zählen auf dem Feld zu den verläßlichsten Erregern öffentlichen Ärgernisses. Und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit seinen vermeintlichen Beratern, dem wiedererstandenen Carl Schmitt oder dem Kölner Staatsrechtler Otto Depenheuer (JF 2/09), geben hier die Buhmänner vom Dienst ab. Auch Hetzer trägt viel, oft randständiges Material zusammen, mischt reichlich Alarmismus in seine langatmigen Erörterungen und läßt sein Werk ausklingen mit drastischen Warnungen vor einem Versagen des Rechtsstaates, das einer „menschlichen Katastrophe“ gleichkäme.

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