© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/09 13. März 2009

Leipzig und die Frühjahrstitel
Jenseits der Verlagsplanung
Ekkehard Schultz

Daß allein die große Zahl von Messebesuchern in der heutigen Zeit noch lange nicht ein entscheidendes Argument für einen konkreten Standort darstellt, mußte die sächsische Metropole Leipzig bereits im vergangenen Jahr erfahren. Denn im August 2009 wird Europas größte Messe für Computer- und Videospiele „Games Convention“ – jetzt Gamescom – zum ersten Mal in Köln stattfinden, obwohl sie sich in Leipzig zu einer Erfolgsveranstaltung mit regelmäßigen Besucherrekorden entwickelt hat. Was jedoch am Ende zählte, waren die besseren Perspektiven für ein dynamisches Wachstum, die bessere internationale Anbindung und nicht zuletzt die Nähe zum zahlungskräftigeren Kunden.

Was für die Spielemesse gilt, trifft erst recht auf die Leipziger Buchmesse zu. Auch hier stieg zwar regelmäßig die Zahl der Besucher, insbesondere durch die Kombination mit der attraktiven Comicmesse sowie die Einrichtung von Senioren- und Schülertagen. Aber die Attraktivität als Publikumsmesse kann nicht verdecken, daß die wirtschaftliche Bedeutung der Großveranstaltung gegenüber der nationalen Konkurrenz in Frankfurt auch in den letzten Jahren weiter gesunken ist. Der für den Buchhandel unattraktive Termin im Frühjahr und die durch Teilung und Diktatur verursachten enormen Verluste an Verlagszentralen tragen zusätzlich dazu bei, daß trotz allen Engagements der Stadt Leipzig die grundsätzliche Frage nach der Zukunft dieser Messe nie ganz verstummt.   

Diese Entwicklung wird vor allem beim Blick auf die Verlagsprogramme der Branchenriesen noch deutlicher. Viele herausragende Neuerscheinungen werden erst Monate nach der Leipziger Buchmesse vorliegen. Dies trifft selbst auf Werke zu, die einen direkten Bezug zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution aufweisen, die bekanntlich in Leipzig ihren Ausgang nahm. So erschien etwa Ehrhart Neuberts „Geschichte der Jahre 1989/90“ bereits im vergangenen Oktober. Ausnahmen wie Hubertus Knabes Auseinandersetzung mit der Linkspartei („Honeckers Erben“) bestätigen letztlich nur die Regel. Daß sich aber nicht einmal der Veranstalter dazu durchringen konnte, den Schwerpunkt der Buchmesse 2009 auf „1989“ zu legen und stattdessen auf das zwar wichtige, aber doch zeitlosere Thema „Bildung“ setzt, muß doch bedenklich stimmen.

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