© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/09 20. März 2009

Haus der Kulturen
Einwanderung: In Potsdam versuchen „Antirassisten“ Diskussionen über den Umzug von Asylbewerbern in ein Problemviertel zu verhindern
Clemens Taeschner

Der Nigerianer im Potsdamer Plattenbauviertel Schlaatz, einem sozialen Brennpunkt, überlegt nicht lange, als er gefragt wird, was für einen Umzug der knapp 170 Asylbewerber in den Stadtteil spräche, der derzeit für Aufregung in der Stadt sorgt: „The police can be quicker here.“

Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Denn das Stadtviertel, eine Hochburg der Linkspartei, ist seit Jahren ein Problemstadtteil. Nur etwa die Hälfte der Anwohnerschaft geht zur Wahl. Von denen wiederum wählt die Hälfte Parteien von den Rändern, zu etwa 40 Prozent die Linkspartei, knapp zehn Prozent die DVU. Wer kann, zieht weg. Wer bleibt, ist zumeist arbeitslos oder Ausländer.

Der Stadtteil weist mittlerweile den höchsten Ausländeranteil der Landeshauptstadt auf. Der von der Potsdamer Stadtverwaltung kürzlich herausgegebene statistische Vergleich unter den mitteldeutschen Landeshauptstädten zeigt zudem, daß Potsdam mit 4,6 Prozent den höchsten Ausländeranteil besitzt. Auch in der Arbeitslosenquote nimmt der Schlaatz einen Spitzenplatz ein, nur etwa 50 Prozent der Einwohner gehen einer geregelten Arbeit nach. Zudem stammt etwa ein Drittel aller jugendlichen Straftäter aus diesem Viertel.

Drei Mädchen, die über den windigen Platz der Plattenbausiedlung hasten, der den Namen „Erlenhof“ trägt, haben auf die Frage, was sie von der Ansiedlung der Asylbewerber halten sollen, nur eine knappe Antwort: „Wir haben hier bloß Training, das reicht uns!“

Auch den Anwohnern reicht es. Für viele von ihnen – schätzungsweise drei Viertel – scheinen mehr Ausländer nicht zumutbar, auch wenn es angesichts der Bevölkerungszahl eine eher geringfügige Größe ist. Bislang sind die Asylbewerber weit draußen am Lerchensteig, nördlich der Stadt, in Baracken untergebracht. Die Verkehrsanbindung ist schlecht, die soziale Anbindung gleich Null. Die einzige nahegelegene Institution dort draußen ist das Klärwerk.

Nun aber sollen sie auf Beschluß der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung in diesem Sommer in den Schlaatz umziehen. Dort, am Markus-Zeller-Platz, wird gerade ein saniertes Lehrlingswohnheim für sie hergerichtet. Dieses gehört der Immobilienfirma Semmelhack und sei, so ist zu hören, ursprünglich als Wohnhaus geplant gewesen. Nun aber befindet die Diakonie über die Nutzung des Hauses, und die will, daß die Asylbewerber einen besseren Zugang zur Stadt bekommen. Zudem gebe es im Schlaatz soziale Einrichtungen eigens für Migranten. Auch würden die Kosten minimiert.

Möglich wurde diese Entscheidung, weil der Vertrag mit dem bisherigen Heimbetreiber, der Arbeiterwohlfahrt, im Juni endet. Nach der erneuten Ausschreibung hatte die Stadt Potsdam die Trägerschaft für die „Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber“ an das Diakonische Werk übertragen. Dabei erscheint der anstehende Umzug nicht zuletzt als Ergebnis langjähriger Agitation durch „antirassistische“ Gruppen, kurz „Antira“, die seit Jahren gegen die Unterbringung am Lerchensteig gekämpft hatten.

Vertreter der „Antira“ fanden sich auch ein, als die Anwohner vor drei Wochen im Schlaatzer Bürgerhaus zu einer Versammlung zusammenkamen, um über den Umzug zu debattieren. Wer seinen Unmut artikulierte, wurde lauthals von der „Antira“ diffamiert oder niedergeschrieen.

So berichtet es beispielsweise ein 44 Jahre alter Mann, der für eine Reinigungsfirma arbeitet und an jenem Abend anwesend war. „Antira“-Akivisten hätten den größten Teil der Publikums-plätze besetzt. Kritische Wortmeldungen seien mit Kamera und Fotohandy aufgenommen worden. Es sei „schlimm gewesen“, meint der Mann. Der Veranstaltungsmanager des Bürgerhauses erinnert sich ebenfalls mit einem Kopfschütteln. Die meisten Leute, sprich: „Antira“-Aktivisten, seien „gar nicht von hier“ gekommen. Ihm sei völlig „unklar, was das soll. Die werden auch nicht da sein, wenn es hier Probleme gibt.“

Letztere beginnen bereits mit dem Gebäude an sich. Dies begründet sich zum einen im Standard der für die Asylbewerber hergerichteten Wohnungen: Mit Türspionen, Balkons, Laminat-Parkett und gefliesten Bädern sowie meterlangen Spiegeln besitzen diese eine gehobenere Ausstattung als viele der umliegenden Plattenbauwohnungen, die bis heute nicht modernisiert worden sind. Gleichwohl ist auch innerhalb des Gebäudes der Streit vorprogrammiert.

Denn neben Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen, in welche Familien ziehen sollen, sind auch Eineinhalb-Raum-Wohnungen mit Durchgangszimmer vorgesehen. Da in letzteren jeweils zwei Asylbewerber untergebracht werden sollen, ist nach Ansicht vieler – nicht zuletzt der Betroffenen – die Eskalation vorprogrammiert. Eine Passantin dazu: „Das Problem ist nicht das Umfeld, sondern die Eineinhalb-Zimmer-Wohnung. Sie können ja nicht mal zwei Äthiopier oder Kenianer zusammenstecken, wenn die unterschiedlichen Stämmen angehören“, oder „einen Russen mit einem Georgier“, wie ein Gewerbetreibender kommentiert.

Trotz gefällter Entscheidung ist ein weiterer Termin zur öffentlichen Aussprache anberaumt, diesmal im Haus der Generationen und Kulturen.

Foto: Künftige Asylbewerberunterkunft in Potsdam-Schlaatz: Anwohner machen sich Sorgen

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