© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/09 20. März 2009

„Die kaufen uns das Land unterm Hintern weg“
Enteignungen: Auch zwanzig Jahre nach der Wende kämpfen Bürger, denen in Mitteldeutschland Eigentum entzogen wurde, um ihr Recht
Klaus Peter Krause

Verfolgt werden sie noch immer, nur subtiler. Der Leidensdruck auf die politisch verfolgten Familien, denen in der einstigen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) alles Agrar- und Forsteigentum weggenommen worden ist, hat sich sogar noch verstärkt. Zwar haben sie Anspruch auf eine Teil-Wiedergutmachung der an ihnen begangenen Menschenrechtsverbrechen, aber inzwischen werden sie dabei  zusätzlich massiv benachteiligt.

Die anfängliche und große Benachteiligung besteht darin, daß ihnen der wiedervereinigte deutsche Staat die Rückgabe des von den Kommunisten geraubten Eigentums verweigert. Der Raub wird behandelt, als sei er eine rechtmäßige Enteignung gewesen, was er nicht war und noch immer nicht ist. Die zweite Benachteiligung ergibt sich daraus, daß ihnen als Wiedergutmachung keine Entschädigung zugestanden wird, wie sie in der DDR-Zeit Verfolgte erhalten, sondern nur eine „Ausgleichsleistung“, die deutlich und unsachgemäß geringer ist. Die dritte und zusätzliche Benachteiligung liegt darin, daß diese Ausgleichsleistung, soweit sie verbilligten Landkauf ermöglichen soll, mit der Zeit immer dürftiger geworden ist und weiterhin wird. Und um die geht es hier.

Als Ausgleichsleistung steht diesen („Alteigentümer“ genannten) Opfern kommunistischer Gewaltverbrechen entweder ein schmaler Geldbetrag zu oder aber die gnädige staatliche Herablassung, kleine Teile von Agrar- und Forstland ihrer einstigen Heimat preisbegünstigt  aus dem staatlichen Hehlerbestand kaufen zu dürfen. Wenn sie Glück haben oder zäh genug sind, ist es Land, das ihnen gehört hat (und ihnen ohnehin zusteht). Wenn nicht, ist es Land irgendwo in der Region und meist mit geringerer Qualität.

Das Geld erhalten sie nicht in bar, sondern in Form staatlicher Schuldverschreibungen mit lange hinausgezogener Fälligkeit. Das Land bekommen sie anhand von Ertragsmeßzahlen, die die unterschiedliche Bodenqualität berücksichtigen. Erwerben dürfen sie nur eine Höchstmenge, und die ist obendrein nach Größe des früheren Besitzes degressiv gestaffelt. Der Landerwerb ist außerdem mit rigorosen Auflagen verbunden, die unzulässig die Freiheit einschränken, das Land zu bewirtschaften, zu verpachten und zu verkaufen.

So manche Familie nimmt trotz der Auflagen lieber das Land als die staatlichen Schuldpapiere, denn Heimaterde wie auch Grundvermögen überhaupt haben für sie den größeren Wert. Geregelt ist diese für den Rechtsstaat beschämende Kompensation mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) von September 1994. Wenn die Alteigentümer das Land verbilligt kaufen wollen, müssen sie einen amtlichen Ausgleichsleistungsbescheid  vorlegen.  Wollen sie ihren Anspruch auf Verbilligung nicht verlieren, müssen sie der Behörde die Kaufabsicht innerhalb von sechs Monaten nach der Bestandskraft des Bescheides mitteilen. Tun sie es später, geht der Anspruch verloren. Geltend zu machen waren die Ansprüche auf Ausgleichsleistung bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen, kurz Vermögensämter genannt. Doch die Zeit zwischen dem Antrag auf die Leistung, der amtlichen Prüfung des Antrags und der Ausfertigung des Bescheides zog und zog sich hin und tut es immer noch. Nahezu zweitausend Anträge sollen noch nicht beschieden sein, die Bearbeitungen sich noch über Jahre hinziehen. Hierauf hat jetzt die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) hingewiesen.

Um ihren Bearbeitungsrückstand zu verringern, so heißt es dort weiter, haben einige Ämter Bescheide nur dem Grunde, nicht aber der Höhe nach ausgestellt. Aber solange der Alteigentümer den abschließenden Bescheid nicht vorlegt – denn nur der enthält die Höhe des Anspruchs –, bleibt ihm der verbilligte Kauf versagt. Und ändern will der Gesetzgeber die entsprechenden Bestimmungen nicht. Geschehen sollte das im Flächenerwerbs-Änderungsgesetz, aber die SPD blockiert es.

Wegen dieser so langsamen Arbeitsweise in den personell sogar ausgedünnten Ämtern sind den Alteigentümern im wahrsten Wortsinn wertvolle Jahre verlorengegangen. Denn die Bodenpreise haben sich seit der ursprünglichen Ausgangslage nahezu verdoppelt, und damit hat sich der Anspruch auf die erwerbbare Fläche zum Teil um die Hälfte verringert. Die Alteigentümer bekommen also für ihren Anspruch auf  Ausgleichsleistung nun noch weniger Land: statt im Durchschnitt rund 34 nur noch rund 12 Hektar. Eben darin liegt die dritte Benachteiligung. Dabei ist die Ausgleichsleistung ohnehin schon niederträchtig gering. Zugleich geraten sie gegenüber anderen Kaufinteressenten noch weiter ins Hintertreffen. Solche Interessenten sind teils wohlhabende Privatleute, teils LPG-Nachfolgegesellschaften sowie einstige LPG-Führungskräfte mit inzwischen eigenen Betrieben, die das geraubte Land vom Fiskus zunächst gepachtet haben und es gern zum Eigentum haben möchten. „Die kaufen uns unser Land unterm Hintern weg“, sagen die Alteigentümer.

Die ARE nennt diesen Umgang mit den Opfern der einstigen Gewaltverbrechen eine „unhaltbare Ungerechtigkeit“. In Wahrheit ist es aber viel mehr, nämlich eine intrigante Verbrechensfortsetzung.  Die ARE will nun die Ämter mit ihren Gebietskörperschaften „in Amtshaftung nehmen“ und auf Schadensersatz verklagen, um eine Korrektur zu erreichen. Alteigentümer, die mit  konkreten Angaben zu ihrem jeweils eigenen Fall  dazu beitragen können, die Verfahren einzuleiten, hat sie „zur schnellen aktiven Mitwirkung“ aufgefordert. Melden sollen sie sich mit Antworten zu Fragen wie diesen: „Wann und wo haben Sie den Antrag auf Ausgleichsleistung gestellt? Wie ist der Bearbeitungsstand? Wann haben Sie einen gültigen Ausgleichsleistungsbescheid (mit Angabe der Höhe der Leistung) erhalten? Falls dies nicht der Fall ist, geben Sie  eventuell die Daten aus dem Grundlagenbescheid bekannt. Konnten Sie schon Agrarflächen nach Paragraph 3 Absatz 5 EALG erwerben? Wieviel Zeit ist von der Antragstellung bis zum begünstigten Flächenerwerb vergangen, und wie hoch ist aus Ihrer Sicht der durch gestiegene Preise eingetretene Flächenverlust? Wie hoch schätzen Sie aus Ihren Aufzeichnungen und sachverständiger Beurteilung den Schaden ein, der durch die verspätete Antragsbearbeitung entstanden ist?“

Mehr Informationen unter www.are.org

Foto: Grund und Boden zurück in die Hände von Alteigentümern?: Zahlreiche Fälle sind noch ungeklärt

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