© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/09 20. März 2009

Viel Lust auf mehr
Ein Haydn-Lesebuch
Wiebke Dethlefs

Der zweihundertste Todestag des geistigen Vaters der Wiener Klassik am 31. Mai 2009 wirft einen besonders erwähnenswerten Buchschatten voraus. „Haydn, Haydn über alles“ nennt Peter Wehle sein im Untertitel als „Lesebuch zum Nachschlagen“ bezeichnetes essayistisch-plauderndes Werk über den großen Meister. Der Autor ist so voller Liebe zu Haydn, daß ihm dabei oft das Herz überzugehen scheint. Die humorvolle, dabei musikologisch unanfechtbare Darstellung von Haydns Leben und Schaffen läßt viel Lust auf weitere Beschäftigung mit dessen Gesamtwerk aufkommen, von dem wegen des ungeheuren Umfangs nur ein äußerst geringer Anteil im Musikbetrieb präsent ist.

In unterhaltsamer Weise schildert der Autor Haydns Leben, über das man zumindest bis etwa zum 50. Lebensjahr des Komponisten nur wenig weiß. Wehle sieht in der Laufbahn Haydns, der von einem begabten Sohn eines Stellmachers zum um 1800 angesehensten Komponisten Europas aufstieg, eine alt-österreichische Version der Geschichte „vom Tellerwäscher zum Millionär“.

Das letzte Drittel des Buches ist ein Haydn-Lexikon. Als „musikalische Speisekarte“ stellt es neben bedeutenden Personen aus Haydns Leben vor allem weniger bekanntes wie die sogenannte Harmoniemesse, die Klaviersonaten und die Lieder vor. Breiten Raum erhalten auch die großartigen, leider ebenfalls kaum gespielten Opern.

Natürlich widmet sich Wehle auch den Streichquartetten, einer musikalischen Gattung, die es vor Haydn noch gar nicht gab. Er erläutert unter anderem die Beinamen und stellt die jeweiligen stilistischen Besonderheiten von annähernd allen 83 Quartetten heraus. Daß er sich bei der Darstellung der 104 Symphonien Haydns hat kürzer fassen müssen, überrascht nicht. Neues erfährt man insbesondere über die Geschichte der „Kaiserhymne“ und alles über jene anderen – heute vergessenen – österreichischen Hymnen unter anderem der Ersten Republik. Haydns berühmte, fast Volkslied gewordene Melodie entstand 1797 auf Worte des heute völlig vergessenen Autors Lorenz Leopold Haschka. Dieses „Gott erhalte Franz den Kaiser“ war als Huldigungslied für den letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Franz II., gedacht.

Selten war ein musikhistorisches Buch so voll kurzweiligem Lesevergnügen. Vielleicht läßt der Autor in diesem Mendelssohn-Jahr noch ein Werk dieser Art über Mendelssohn folgen. Die Musikfreunde würden es ihm danken.

Peter Wehle: Haydn, Haydn über alles. Ein Lesebuch zum Nachschlagen. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2008, gebunden, 221 Seiten, 21,90 Euro

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