© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/09 20. März 2009

Gas-Opec, Klimagerechtigkeit, Saharastrom
In der Energiedebatte deuten sich nach den Schreckensszenarien aus der Zeit vor der Wirtschaftskrise wohl doch entspannendere Perspektiven an
Bodo Spittler

Vor einer Energiekrise, die diesen Namen verdient, stehen die Bewohner unseres blauen Planeten erst in fünf Milliarden Jahren, wenn die Sonne verglüht. Zu dieser zukunftsfrohen Einschätzung gelangt jedenfalls, wer die Energiedebatte auch dann noch verfolgte, als das Barrel Rohöl nicht mehr 150 Dollar kostete und das Thema zugunsten der „Finanzkrise“ aus den Schlagzeilen verschwand.

Zur Jahreswende 2009 sorgte der „Gasstreit“ zwischen Rußland und der Ukraine allerdings kurzzeitig wieder dafür, das drohende Ende fossiler Energieressourcen zu bedenken. Manche Kommentatoren gefielen sich dabei im Ausmalen apokalyptischer Bilder. Um Erdgas, Erdöl und Kohle werde ein gnadenloser Wettlauf vor allem der Europäer mit den Chinesen und Indern beginnen, der die EU bis zur Erpreßbarkeit von Moskau abhängig mache. Als Antwort darauf kursiert nicht nur an Brüsseler Stammtischen die Forderung nach einer „Energie-Nato“, einer Militarisierung der Energiepolitik, die auf die US-Strategie der Eindämmung Rußlands in „Eurasien“ einschwenken würde. 

Roland Götz, Berliner Volkswirtschaftler und Zuarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht in diesem ganzen „Sicherheitsdiskurs“ nur europäische Unfähigkeit zur Lageanalyse, die am Ende ins gefährliche Fahrwasser der US-Außenpolitik und sogar zur Spaltung der EU führe (Osteuropa, 1/09). Tatsache sei allein, daß sich die Erdölförderung ab 2020 nicht mehr steigern lasse. Doch es verblieben riesige Vorräte an Kohle, schwer zugänglichem Erdöl und vor allem Erdgas. Und Rußland, das auch keinesfalls einer „Gaslücke“ entgegengehe, sei als Exporteur aus Eigeninteresse ein zuverlässiger Lieferant. Zumal die europäischen Gasimporte aus Afrika und dem Nahen Osten zunehmen, eine Konkurrenz, die Rußlands Importanteil von derzeit 58 Prozent auf 32 im Jahr 2030 herabdrückt. Daher seien auch Szenarien einer von Moskau mit Iran und Algerien geschmiedeten „Gas-Opec“ zur politischen Erpressung Europas „ohne Substanz“. Eine zukunftsfähige Energieaußenpolitik sollte daher weiter an der Kooperation mit Rußland festhalten. Der medial aufgeblasene „Pipeline-Popanz“ (Götz) verzerrt den Energiediskurs schon deshalb, weil er auf Freund/Feind-Konstellation fixiert ist, auf einen „Weltkampf“ um knapper werdende Vorräte.

Wie sehr dies aktuell gegenläufige Entwicklungen verkennt, zeigen die Politikwissenschaftler Andreas Oberheitmann und Eva Sternfeld am Beispiel China (Internationale Politik, 2/09). Dort beginnt die Führung umzudenken und für die Zukunft des Riesenreichs auf erneuerbare Energien zu setzen. Der derzeit vor den USA größte CO 2- Emittent hat die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels endlich erkannt. Als alternative Energiequelle weckt die Wasserkraft einige Erwartungen angesichts der im Oktober 2009 anstehenden Inbetriebnahme des umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamms. Ihren Schwerpunkt setzen Chinas Energieplaner derzeit aber noch bei der Förderung kohlenstoffreier und emissionsarmer Kernkraftwerke, ohne sich mit Fragen nach Reaktorsicherheit oder Endlagerung von Nuklearabfällen zu belasten. Wind, Photovoltaik und moderne Biomasse spielen daneben noch kaum eine Rolle, besitzen aber laut Oberheitmann und Sternfeld ein „großes Entwicklungspotential“. Das auf „Klimagerechtigekit“ pochende China könnte daher seine starre Haltung in der internationalen Klimapolitik lockern, da seine alternativen Energiequellen mittelfristig die Reduktion der Treibhausgase gestatten, so daß es den im Dezember 2009 in Kopenhagen einzuleitenden „Post-Kyoto-Prozeß“ mitgestalten würde.

Konflikte oder gar Kriege um Energiequellen scheint nicht mehr fürchten zu müssen, wer registriert, welch rosigen Zeiten nicht nur Europa dank deutscher Forscherfindigkeit entgegensehen darf (Bild der Wissenschaft, 3/09). Wie die energiepolitische Zukunft des alten Kontinents aussehen soll, läßt sich im Hinterland der spanischen Costa del Sol bestaunen. Am Rand der Sierra Nevada nahm im Herbst 2008 das größte Solarwärmekraftwerk Europas seinen Betrieb auf. Die Anlage ist zugleich das größte Forschungszentrum für Solarenergie, das unter maßgeblicher Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumarbeit (DLR) an der Zukunft der europäischen Energieversorgung arbeitet. Läßt sich die Effizienz der Anlage in den nächsten Jahren weiter steigern, könnte die Sahara von Marokko bis Libyen mit einer Kette solarthermischer Kraftwerke durchzogen werden.

Nur 0,3 Prozent der Wüstenfläche Nordafrikas und des Nahen Ostens wären dann nötig, um die Anrainerstaaten und Europa komplett mit Sonnenstrom zu beliefern. Dehnte man das Areal auf ein Prozent aus, reichte die „Power aus dem Süden“ für „die ganze Welt“. Die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich nach DLR-Berechnungen bis 2050 auf 400 Milliarden Euro – das wäre dann nicht einmal ein Prozent dessen, was die Finanzkrise soeben kostet.

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