© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/09 27. März 2009

Schwere Zeiten für Knuts freilebende Verwandte
Tierschutz: Eine Konferenz von Anrainerstaaten der Polarregion sieht dringenden Handlungsbedarf zum Schutz des Eisbären
Volker Kempf

Ich möchte ein Eisbär sein / im kalten Polar / dann müßte ich nicht mehr schrei’n / alles wär’ so klar“ – so brachte 1981 das schweizerische Neue-Deutsche-Welle-Trio Grauzone die Stimmung der von Waldsterben und Kalten Krieg gezeichneten Zeit zum Ausdruck. Damals ging es zumindest den Polarbären (Ursus maritimus) in der Tat nicht schlecht, weil 1973 ein Abkommen zu ihrem Schutz beschlossen wurde, das sie vor der Jagd weitgehend schützte. Heute will niemand mehr ein Eisbär sein.

Das Hauptproblem ist das Schmelzen des Packeises in der Polarregion. Denn dies ist für die freilebenden Verwandten des weltberühmten Berliner Zootieres der Lebensraum, um Robben jagen zu können, die ihre unverzichtbare Nahrungsgrundlage darstellen. Das erkennen die fünf Anrainerstaaten Norwegen, Dänemark (Grönland), Rußland, Kanada und USA mit ihrer letzte Woche im norwegischen Tromsø abgehaltenen Konferenz zum Schutz von Eisbären an und warnen sogar vor einer Ausrottung des bis zu 500 Kilogramm schweren Tieres bis zur nächsten Jahrhundertwende. Bis 2050 wird eine Bestandsreduzierung von derzeit 20.000 bis 25.000 Eisbären um zwei Drittel befürchtet.

Damit aber ist die Frage aufgeworfen, welchen Einfluß der Mensch auf das Klima ausübt und wie er gegebenenfalls das Problem entschärfen kann. Die anthropogen bedingten Treibhausgase – wie das bei der Verbrennung fossiler Energieträger freiwerdende Kohlendioxyd oder das aus der Viehwirtschaft stammende Methan – gelten nach vorherrschender Klimaexpertenauffassung als hauptverantwortlich. Aber selbst wenn man das anerkennt, ist der Ausstoß entsprechender Gase einer sich weiter industrialisierenden und vermehrenden Weltbevölkerung nicht einfach deutlich zu senken oder gar zu stoppen. Wenn Ökonomen vorrechnen, der größte Effekt für den Klimaschutz könne im Verhältnis zu den Kosten dann erzielt werden, wenn man erst noch einige Jahrzehnte technischen Fortschritt abwarte, könnte das für die Eisbären zu spät kommen.

Die Probleme mit den Beständen des Symboltieres Eisbär werden den Handlungsdruck auf die UN-Klimaschutzkonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen also erhöhen, ein weitgehendes Nachfolgeprotokoll zum Kyoto-Protokoll auf den Weg zu bringen. Aber es gibt noch weitere Ursachen dafür, daß der Eisbär als vom Aussterben bedroht gilt. Erdöl- und Gasvorkommen werden erschlossen. Selbst wenn sich angesichts des temporär auf 50 Dollar pro Faß gesunken Ölpreises hierbei manches verzögern könnte – auf die Bohrungen in der Polarregion wird man über kurz oder lang sicher nicht verzichten. Doch während das Eis schmilzt, wächst die Gier des Menschen weiter. Die letzten Winkel der Erde werden geplündert.

Faktisch geht es um einen Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und Naturschutz, der erst noch ausgefochten werden muß. Wenn Eisbären sich vor allem von Robben ernähren, so werden diese in Kanada massenhaft für die Pelzgewinnung gejagt. Hinzu kommen Schiffe und Touristen, die sich negativ auf den Lebensraum der Eisbären auswirken. Sie müßten ihre Routen und Ausflugsziele ändern. Auch toxikologische Zusammenhänge sind nach Expertenauffassung zu beachten.

Damit gibt es zahlreiche Gründe dafür, daß Eisbären vielfach verhungern, ertrinken oder aufgrund von Streß ihre Fortpflanzung einstellen. Noch immer bestehende Jagdquoten müssen gesenkt werden, wofür Kanada und Grönland hinter verschlossenen Türen auch Bereitschaft signalisierten, wie Dag Vongraven vom Norwegischen Polarinstitut von der Konferenz gegenüber Medien berichtete. An eine völlige Aufgabe der Jagd ist allerdings noch nicht zu denken, gilt sie zumindest in Grönland als traditionell. Die Probleme mit den Eisbärbeständen sind erkannt, aber damit noch lange nicht gebannt.

Weiterführende Informationen zum „International Meeting Under the Polar Bear Agreement“: www.polarbearmeeting.org

Foto: Eisbärin mit Jungem: Auch toxikologische Gefahren lauern

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