© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/09 27. März 2009

Zeitlose Fragezeichen
Professoren zur Familie
Ellen Kositza

Professorenforum nennt sich ein Netzwerk von „Professorinnen und Professoren“, das eine christliche Weltsicht interdisziplinär im akademischen Raum zur Geltung bringen möchte. Zum Abdruck gekommen sind hier zwölf Vorträge, die bereits 2003 auf einem Symposium des Kreises gehalten wurden.

Die titelgebende Frage „Familie wohin?“ ist nach wie vor berechtigt; gleichwohl suggeriert sie – in dieser Atemlosigkeit formuliert – eine gewisse Hilflosigkeit. Die Beiträge, untergliedert in historische, psychosoziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte, untermauern den Eindruck. Es gilt, gemäß selbstformuliertem Anspruch, „Fäulniserscheinungen der Familie“ auf den Grund und eben nicht auf den Leim zu gehen.

Was hier – alles in allem –, festgehalten, vorgeschlagen oder gefordert wird, ist schon richtig und gut. Daß Promiskuität nicht als Stabilisator für Familien dienen kann, daß Begriffe wie Heimatkunde und Volkstum ebenso wie der ehedem populäre Gelehrte Eduard Spranger zu Unrecht in Mißkredit geraten sind, daß gerade kinderreiche Familien finanziell benachteiligt sind – ja, solche Feststellungen haben ihre Berechtigung. Warum dies für schlicht halten, wo der familienpolitische Mainstream seine eigene Bedürftigkeit nur mit gewiefter Silberzunge verbrämt? Und sogar dies ist nicht ohne Witz und zeugt vom Engagement der hier versammelten Akademikerriege: die Formen und Wege der Gattenliebe einmal als graphisches Schema darzustellen. Warum nicht – es gibt schlechtere Witze. Ähnlich die Forderung des Frankfurter Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter,  daß zwecks Steigerung der Moral einem Angestellten nur soviel Jahresurlaub zugestanden werden sollte, wie er ihn ordentlich „feiern“ und finanzieren kann, also etwa zwei Wochen.

Manchen Formulierungen mag man selbst als gestandene „Familienmenschin“ nicht folgen. Etwa, daß „Familie Sinn macht“ oder „Qualität entfaltet“, das Bemühen um „Menschenwürdigkeit“ – da fühlt frau sich unversehens in evangelische Kirchentagsrunden der neunziger Jahre versetzt, in denen guten Willens, aber schwachbrüstig verlorenen Schlachten hinterherdiskutiert wird. Nichtsdestotrotz: Autoren wie der Ethnologe Thomas Bargatzky, die Theologen Wolfram Kurz und Thomas Schirrmacher und, schön geerdet, die Psychologin Boglarka Hadinger liefern zeitlos lesenswerte Beiträge.

Wolfgang Hinrichs, Lutz Simon, Hans-Joachim Hahn (Hrsg.): Familie wohin? Ein Modell auf dem Prüfstand. Hänssler Verlag, Holzgerlingen 2008, gebunden, 380 Seiten, 19,95 Euro

Foto:  Pickelhauben und Babyspearing, britische Propagandapostkarte von 1914: Der Fall Löwen war Nährboden für die alliierte Propaganda von den „Hunnenexzessen“ im besetzten Belgien

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