© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/09 03. April 2009

Frisch gepresst

Nato. Als ehemaliger Fachgruppenleiter „Militärgeschichte der BRD“ am Militärgeschichtlichen Institut der DDR (MFI) in Potsdam dürfte Lothar Schröter naturgemäß auch ein Experte für die  Nato sein. Und in der Tat erzählt er akribisch und kenntnisreich in seinem zweibändigen Großwerk die Geschichte des gerade seinen 60. Jahrestag feiernden Bündnisses nach. Dabei läßt der NVA-Major und jetzt in der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung tätige Historiker bereits im Vorwort erkennen, wo er die Nato-Geschichte nach 1991 bis heute kritischer und kurz gerafft analysiert, daß seine Betrachtungen nicht durch die rosarote Brille des „Atlantikers“ verfaßt wurden. Dennoch nutzt er nicht die Gelegenheit, das Hohelied des Antimilitarismus anzustimmen oder sich am Bündnis des Klassenfeindes unsachlich abzuarbeiten, mit dessen siegreicher Vollendung seiner Zweckbestimmung er seinen zweiten Band beschließt. Als Ergänzung zur offiziellen Darstellung ist Schröters gegen den Strich gebürstete Sicht „von außen“ deshalb auf jeden Fall zu empfehlen (Die Nato im Kalten Krieg. Die Geschichte des Nordatlantikpaktes bis zur Auflösung des Warschauer Vertrages, Band I 1949–1975 und Band II 1976–1991. Kai Homilius Verlag, Berlin 2009, 680 und 528 Seiten, gebunden, jeweils 34,80 Euro).

 

Stalin in Ostpolen. Es ist nicht nur den angelsächsischen Partnern geschuldet, daß das von Dan Diner dirigierte Leipziger Simon-Dubnow-Institut sich des Englischen bedient, um seine Forschungen zur jüdischen Geschichte dem internationalen Publikum zu präsentieren. Der neueste, stattliche, von Elazar Barkan, Elizabeth Cole und Kai Struve herausgegebene Tagungsband befaßt sich mit der Geschichte des von der Sowjet-union am 17. September 1939 okkupierten östlichen Teils der Republik Polen bis zum Einzug der Wehrmacht im Sommer 1941 (Shared History – Divided Memory. Jews and Others in Soviet-Occupied Poland, 1939–1941. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2008, gebunden, 390 Seiten, 54 Euro). Kai Struve analysiert die durch Jan Gross ausgelöste polnische Geschichtsdebatte, die Joanna Michlic immer noch geprägt sieht von der extrem negativen Stereotypisierung „des Juden“, während – wie um Michlic zu bestätigen – der polnische Historiker Marek Wierzbicki sich einmal mehr für seine Landsleute ins Zeug legt und der jüdischen Bevölkerung Ostpolens abermals vorhält, mit Stalins Schergen kooperiert und somit die Weichen für die Pogrome im Juni/Juli 1941 selbst gestellt zu haben. Die derzeit hierzu herrschende Meinung vertritt hingegen Alexander Brakel, wenn er anhand einer Regionalstudie auszählt, daß Juden in den Herrschafts- und Parteistrukturen der Besatzer nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten waren.

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