© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/09 10. April 2009

Meldungen

Osteuropa 1989: Rückblick in Moll

BERLIN. Gerade in diesem Fall werfen für die Osteuropa-Redaktion große Ereignisse ihre Schatten voraus. Und da „die Medien“ auch nicht bis zum Herbst warten, um sich chronologisch korrekt über die Zeit vor zwanzig Jahren auszulassen, als der „Ostblock“ unterging, stemmt Osteuropa jetzt schon ein 400-Seiten-Doppelheft (2-3/09) zum Thema auf den Markt. Obwohl dabei auch Prominenz zu Worte kommt, Adam Michnik, György Konrad oder Karl Schlögel, bleiben die Erinnerungen seltsam uneuphorisch, wohl weil punktgenau zwanzig Jahre danach die Systemkrise des „Siegers“ von 1989 nicht zur Feierlaune animiert. So kursieren vorwiegend Platitüden wie Schlögels Diktum, der Mauerfall habe nur sanktioniert, was schon entschieden gewesen sei – „vorher und anderswo“. Die Ereignisse in der DDR, so auch der Tenor anderer Beiträge, seien nur eine Art Epilog zur Heldensaga gewesen, in deren Zentrum die osteuropäischen „Freiheitskämpfer“ stünden. Einer von ihnen, der polnische Publizist Adam Michnik, blickt auf 1989 jedoch als irrelevante Vergangenheit eher gleichgültig zurück und sieht West- wie Osteuropäer vor größeren Herausforderungen als damals: Das gemeinsame Wertesystem werde von „Zynikern“ unterminiert, und „autoritäre Versuchungen“ könnten zumindest im alten „Ostblock“ die politische Realität bald wieder bestimmen.

 

Das historische Subjekt, das sich noch versteckt

BERLIN. Obwohl der Zulauf zu Lafontaines Linkspartei stagniert, scheint es die intellektuelle neomarxistische Volksfront derzeit mit Ulrich von Hutten zu halten: Es ist eine Lust zu leben. Wolf Fritz Haug, „alter Kämpfer“ aus dem Milieu der Sozialischen Einheitspartei Westberlins (SEW), als Emeritus wieder von der Spree zurück im Schwäbischen, frohlockt: „Fürs erste werden die Feiern zu 20 Jahren ‘Ende der kommunistischen Mißwirtschaft’ getrübt sein durch die Folgen von 30 Jahren neoliberaler Mißwirtschaft.“ Möglich, aber wie das stattliche Themenheft von Das Argument (Nr. 279/2008) zur Finanzkrise verrät, das Haug derart einleitet, scheint es auch einen „hilflosen Antikapitalismus“ zu geben. Denn auf die Steilvorlage ihrer Lieblingsfeinde reagieren Haug&Co. mit phänomenologischer Kalligraphie à la Handelsblatt und mit einigen Kubimetern Ratlosigkeit. Haug hält wieder einmal nach dem noch verborgenen „historischen Subjekt außerhalb des Kapitalismus“ Ausschau, das die „menschenwürdige Zukunft“ herbeiführen soll. Da ist guter Rat teuer – zumal Haug sich nicht sicher ist, ob Die Linke das passende Konzept hat. Nur auf das herbeigeraunte Gespenst des „Faschismus“ ist bei ihm stets Verlaß. Besorgt fragt er: Werden die Mittelschichten in den USA und Europa „nach rechts“ gehen?

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