© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/09 10. April 2009

Der verhinderte König von Schottland
Vor dreißig Jahren wurde Idi Amin gestürzt / Synonym für die Entwicklung zu grausamen Despotien im postkolonialen Afrika
Florian Campmann

Viele Mythen ranken sich um Idi Amin, den Popstar unter den Despoten, dessen Herrschaft am 11. April 1979 ein Ende gesetzt wurde. Ugandas Diktator war so kurios wie brutal und hielt sich trotzdem acht Jahre lang an der Macht.

Gegenüber dem Ausland präsentierte er sich als charmanter Landesvater, der mit bizarren Telegrammen die Öffentlichkeit amüsierte. Er bot sich dem Commonwealth als Chef und Schottland als König an. Die britische Königin lud er ein, nach Uganda zu reisen, um einen richtigen Mann kennenzulernen, und US-Präsident Nixon wünschte er eine baldige Genesung von Watergate. Über Idi Amins Geburtsdatum und Ort ist nichts Genaueres bekannt, es wird angenommen, daß der Diktator zwischen 1925 und 1928 im Nordwesten Ugandas im Stamm der Kakwa zur Welt kam.

Uganda war seit 1894 das Vorzeigeland des Britischen Empire, die „Perle Afrikas“ mit fruchtbaren Gebieten und gemäßigtem Klima. 1946 werden britische Offiziere der Kolonialarmee auf den 1,93-Meter-Koloß Idi Amin Dada aufmerksam, zu diesen Zeipunkt BoxLandesmeister. Trotz seines Analphabetismus beginnt für Idi Amin – nicht zuletzt durch kompromißloses und brutales Vorgehen bei der Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstands – eine steile Karriere. Er wird der erste schwarze Offizier seines Landes und nach der Unabhängigkeit Ugandas 1962 sogar Oberbefehlshaber der gesamten Streitkräfte.

Als sein Gönner, der amtierende Autokrat Milton Obote, auf einer Commonwealth-Tagung weilt, putscht sich Idi Amin am 25. Januar 1971 an die Macht und regiert Uganda von nun an mit willkürlichem Diktat. Großbritannien, die USA und Israel erkennen Idi Amins Putschregime als erste an und begrüßen sogar den Staatsstreich, da der frühere Präsident Obote mit dem Sozialismus liebäugelte. Die britische Presse bezeichnet ihn als einen „sanften Riesen“, doch der Spiegel nannte ihn bereits 1975 in einer Titelgeschichte „einen Neger, so richtig wie weiße Rassisten ihn mögen“. Schon bald verfällt Idi Amin dem Größenwahn, fühlt sich von Gott gesandt und bezeichnet sich als „Herr über alle Tiere der Erde und Fische des Meeres, Eroberer des britischen Reichs in Afrika im allgemeinen und Uganda im besonderen“.

Amin fürchtet jeden, selbst engste Vertraute fallen seinen Todeskommandos zum Opfer. Insgesamt kommen unter seinem Regime bis zu 300.000 Ugandaer ums Leben. Gerüchte dringen ans Ausland, Idi Amin trinke sogar das Blut seiner getöteten Feinde. Seinem ins Exil geflohenen Minister Henry Kaemba soll er erzählt haben: „Ich habe Menschenfleisch gegessen. Es ist sehr salzig, sogar salziger als das von Leoparden.“ Enteignungen und Vertreibungen sind von nun an an der Tagesordnung, und der Ausverkauf der ugandischen Wirtschaft beginnt. An die Stelle eines funktionierenden Wirtschaftssystems tritt eine allgemeine gegenseitige Ausplünderung. Die frühere Exportwirtschaft wird unter der Kontrolle Amins in eine Art Tauschhandel zum privaten Profit umfunktioniert.

Noch kann Amin das Bild des postkolonialen Enfant terrible wahren, der mit seinen Vorschlägen wie der Verlegung des Sitzes der Nato nach Uganda die Weltpresse amüsiert. Für die afrikanischen Diktatoren verkörpert Idi Amins Nationalismus bis 1976 sogar eine vorbildliche Politik der Unabhängigkeit Afrikas gegen jegliche neokoloniale Einmischung. 1975 wird er Präsident der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und erwirkt seine Ernennung zum Präsidenten von Uganda auf Lebenszeit. 1976 kommt es jedoch zum Bruch mit den USA, Großbritannien und Israel, da Idi Amin sich immer mehr der Sowjetunion und Libyen annähert.

Der Moslem Idi Amin intensiviert seine Kontakte zur arabischen Welt. Von nun an vertritt er einen offenen Antisemitismus, äußert um arabische Sympathie heischend, daß „Hitler zu recht sechs Millionen Juden bei lebendigen Leibe mit Gas verheizt hat, da die Juden gegen die Interssen der Völker handelten“. Die internationale Gemeinschaft reagiert entsetzt, 1978 tritt ein US-Handelsembargo in Kraft. Anstelle von Anekdoten über „Big Daddy“ finden sich in der internationalen Presse nun Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Greueltaten. Ugandas Wirtschaft droht der Ruin und Ende 1978 deutet sich eine Meuterei in der Armee an. Praktisch als politisches Ventil greift er das benachbarte Tansania an, mit dem sich Uganda im Streit um koloniale Grenzziehung befand. Doch der Krieg entwickelt sich anders als erwartet, tansanische Truppen dringen mit Hilfe von Exil-Ugandern in Idi Amins Reich ein. Die Hauptstadt Kampala wird besetzt und Idi Amin flieht im Hubschrauber nach Lybien und später nach Saudi-Arabien.

Unterstützt vom saudischen System, verbringt er die letzten 24 Jahre seines Lebens in einer Villa bei Dschidda. Während Uganda erneut im Bürgerkrieg versinkt, stirbt der „sanfte Riese“ und „Erober des britischen Reichs in Afrika und Uganda im besonderen“ am 16. August 2003 an Nierenversagen.

Foto: Ugandas Diktator Idi Amin: Verkörperung der Unabhängigkeit Afrikas gegen neokoloniale Einmischung

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