© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/09 17. April 2009

Seehofer macht seine Partei schwindelig
CSU: Weil der Vorsitzende nach dem Geschmack von Parteifreunden zu häufig seine Positionen wechselt, hat bereits die Suche nach einem Nachfolger begonnen
Paul Rosen

Wenn es nach der Zahl der Attacken geht, dann hat die CSU nichts von ihrer alten Kraft verloren. Ob Gesundheitspolitik oder Steuerfragen – die CSU schießt aus allen Rohren nach Berlin. Wer getroffen wird, ist eigentlich schon egal. Mal ist der Gegner die SPD, häufiger jedoch die CDU und ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel. Womit geschossen wird, ist inzwischen auch völlig egal. Parteichef Horst Seehofer wechselt die Positionen, daß anderen schwindelig wird. An Mahnungen fehlt es nicht: „Was die Partei jetzt braucht, ist Beständigkeit, Verläßlichkeit. Daß am Nachmittag noch gilt, was am Vormittag verkündet wird“, sagte der frühere Wirtschaftsminister Michael Glos an die Adresse der eigenen Parteiführung.

Dort – im Hauptquartier in der Nymphenburger Straße in München – wächst die Nervosität mit dem Näherrücken wichtiger Wahltermine. Ein halbes Jahr ist Seehofer jetzt Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender. Seitdem liegt Berlin zwar unter Trommelfeuer. In inhaltlichen Fragen hat der neue Chef jedoch keine Akzente setzen können. Die Landespolitik wurde von der Bankenkrise und besonders der Schieflage der Bayerischen Landesbank überlagert. In der Bundespolitik focht Seehofer von Anfang an gegen Beschlüsse, die er als ehemaliger Landwirtschaftsminister mitgetragen hätte – von der Erbschaftsteuer bis zum unbeliebten Gesundheitsfonds. Sein Verhältnis zu Merkel ist schon seit den Oppositionsjahren in Berlin schwer gestört.

Was die CSU schwer ärgert, ist die Absetzbewegung der CDU von allem, was einst als nationales, konservatives oder katholisches Element zur Union gehörte. Der Umgang mit den letzten noch lebenden Vertriebenen und ihrem Erbe gehört ebenso dazu wie die Merkel-Kritik am Papst. Bayern gilt als noch konservativer und noch katholischer als viele andere Regionen Deutschlands. Mitdenkende Wähler könnten sich von der CSU abwenden, um Merkel zu strafen, so die Befürchtung, und am 7. Juni, dem Tag der Europawahl, der CSU die Gefolgschaft verweigern. Es gibt Umfragen, die die CSU bei der Europawahl bei etwa sechs Prozent der Stimmen sehen. Die Europawahl gilt als besonders schwierig, denn die Wähler sind kaum zu motivieren, und die CSU muß das Kunststück vollbringen, in Bayern deutschlandweit fünf Prozent der Stimmen zu holen, während andere Parteien mindestens fünf Prozent in ganz Deutschland erzielen müssen, um in das Straßburger Parlament einzuziehen.

Damit dürften FDP, Grüne und Linke kein Problem haben – vielleicht auch nicht die deutschlandweit antretenden Freien Wähler (siehe oben). Und damit ist das Horror-Szenario der CSU beschrieben: Die Freien Wähler mit der alten Stoiber-Kritikerin Gabriele Pauli würden in das Europaparlament einziehen, die CSU könnte draußen bleiben. Das erklärt die Heftigkeit der Angriffe, mit denen man sich zu profilieren sucht. 

Die zunehmende Nervosität hat auch interne Gründe. Bisher galt der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder als der geborene Nachfolger von Seehofer, falls nach einem erneuten Wahldesaster der CSU – gemeint ist dabei die Bundestagswahl am 27. September – hinwerfen sollte. Die Zeiten haben sich geändert, als in der Nachfolge von Glos der eloquente Karl Theodor zu Guttenberg (37) Wirtschaftsminister in Berlin wurde. Der „Dauergast in Fernsehstudios“ (Handelsblatt) eroberte schnell die Sympathien der Deutschen, ist inzwischen auf der Beliebtheitsskala der deutschen Politiker von null auf Platz drei hochgeschossen.

Guttenberg hatte die Wirtschaftspolitik nicht angestrebt, sein Feld ist eher die Außenpolitik. Der Generalsekretärsposten war nur ein kurzes Zwischenspiel, ehe er die Nachfolge von Glos antreten durfte. Seitdem ist er weltweit unterwegs: Über Opel in den Vereinigten Staaten verhandeln oder Investoren für Opel in Arabien suchen  – und stets wird Guttenberg rund um die Uhr über TV in deutschen Wohnzimmern feilgeboten. Das ist sicher nicht seine Art Politik, aber er macht das Spiel der Medien mit. Die werden sich abwenden, wenn die Person Guttenberg langweilig wird. Oder er wird vom Darsteller zum Gejagten, wenn sich die wirtschaftlichen Kennziffern wie die Arbeitslosigkeit verschlechtern.

Für die CSU liegt in der gegenwärtigen Situation eine doppelte Hypothek. Guttenberg könnte sie mit runterziehen, wenn die Wirtschaft noch weiter kippt. Und die Auseinandersetzung mit Söder könnte Diadochenkämpfe um die Macht auslösen, die mit Seehofer nur angehalten, aber nicht endgültig gestoppt waren.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen