© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

„Ein riesiger Sündenfall“
Landwirtschaft: Genmais und Schweine-Patente sind nur die Vorboten einer fragwürdigen Entwicklung / Gefahren für Artenvielfalt
Michael Howanietz

Nach Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Österreich, Polen und Ungarn hat nun auch Deutschland wegen Gesundheits- und Naturschutzbedenken den Anbau der US-Genmaissorte MON 810 untersagt. „Diese Entscheidung kommt im letztmöglichen Augenblick – und sie ist die richtige“, erklärte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), den vorige Woche gefällten Beschluß von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). „Wir sind froh, daß sich Frau Aigner von Monsanto nicht an der Nase herumführen ließ“, so Löwenstein. „Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie sich auch der Zulassung weiterer Gen-Mais-Sorten (wie Bt 11 und 1507) widersetzt, die von der EU-Kommission derzeit angestrebt werden.“ Ob die CSU dem politischen Gegenwind aus CDU und FDP auch nach der Bundestagswahl standhält, bleibt abzuwarten.

Doch Umwelt und naturverbundene Landwirtschaft sind nicht nur durch „grüne“ Gen-Konzerne wie Monsanto in Bedrängnis, denn Agrarindustrialisierung und Globalisierung schaffen in der Regel keine Vielfalt, sondern immer mehr Einfalt. Die Sortenverarmung im Handel erhältlicher Feldfrüchte, die zwangsweise ihre Entsprechung im Anbau – Arche-Noah-Projekte ausgenommen – nach sich zieht, ist Nachweis dieses Vielfaltverlustes. Es ist kaum hundert Jahre her, da wurden in deutschen Landen beispielsweise noch weit über 5.000 Apfelsorten angebaut. Heute ist gerade noch ein Zehntel davon bekannt, von dem wiederum nur ein Hundertstel in den Großhandel gelangt.

Hauptursache dafür ist der Wunsch von Handels- und Verarbeitungsbetrieben nach Vereinheitlichung von Nahrungsmitteln bzw. deren Ausgangsstoffen in Aussehen, Geruch und Geschmack. Der unwürdige, etappenweise Abgesang von Deutschlands einst beliebtester Kartoffelsorte Linda ist ein Paradebeispiel. Linda erhielt 1974 vom Bundessortenamt den Sortenschutz erteilt. Den nutzte dann die Firma Europlant. Kurz vor Auslaufen des Patentschutzes zog Europlant Ende 2004 die Zulassung für die gewerbliche Pflanzgutproduktion zurück, denn ansonsten hätten nun auch andere Landwirte Linda-Saatgut anbieten können. Die Europlant-Kartoffel Belana sei jedoch ein höherwertiger Ersatz. Der Rechtsstreit soll in diesem Jahr entschieden werden, auch in Schottland und den Niederlanden wurde die Wiederzulassung von Linda beantragt.Sortenrechte in den Händen privater, gewinnorientierter Unternehmen sind ein Urproblem des freien Bauernstandes. Im Zuge der von Agrogentechnikern angemeldeten Patente auf Leben könnte dieser bald vollends ruiniert werden.

„Wenn dieses sogenannte Schweine-Patent genehmigt würde, wäre das ein riesiger Sündenfall, weil nämlich dann Gene und Genabschnitte plötzlich Eigentum eines Konzerns wären, aber nicht mehr Eigentum der ganzen Menschheit, sprich der Allgemeinheit“, warnte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, angesichts des Streits mit dem Europäischen Patentamt um ein Schweinezuchtverfahren im Deutschlandfunk. Künftig müßte man zuerst den Patentinhaber fragen, „darf ich mit diesem Gen weiterzüchten. Und der kann es einem erlauben oder nicht. Oder man muß dafür hohe Gebühren oder Lizenzen bezahlen.“ Generell werde die EU-Biopatentrichtlinie leider „falsch und schwammig“ ausgelegt.

Die Uno hat 2010 zum „Jahr der Biodiversität“ erklärt. Eine Proklamation der biologischen Vielfalt, die leider von Problemen ablenkt und Ursachen camoufliert. Wenn die Uno behauptet, nachwachsende Wälder nähmen „dramatisch zu“, dann verbirgt sich dahinter Sekundärwald, der nach großflächigen Rodungen heranwächst – wenn man ihn läßt. Diesem Waldsurrogat verhilft der für die US-Smithsonian-Institution in Panama tätige Ökologe Joseph Wright zu spektakulärer Problemlösungskompetenz, indem er die Schrumpfung des Regenwaldes bis 2050 relativiert.

Nicht zehn Prozent verblieben, sondern 36 Prozent. Wright begründet dies zum einen mit einer von ihm verorteten Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums und dem Sekundärwald. Daß dieses „wiedergeborene“ Ökosystem eine erheblich reduzierte Artenvielfalt aufweist (kehrten in einer Studie der US-Forscherin Robin Chazdon immerhin 90 Prozent der Baumarten zurück, so bevölkern in Wrights eigenen Untersuchungen lediglich 50 Prozent der ursprünglichen tierischen Bewohner den Wald aus zweiter Hand), tut Wrights Euphorie keinen Abbruch.

Wright verzichtet auf eine Erörterung des klimapolitischen Faktors Wald. Doch etwa ein Fünftel der jährlich vom Menschen verursachten CO2-Emissionen resultiert aus der Zerstörung der Regenwälder. Was Sekundärwaldbäumchen in diesem Zusammenhang leisten, spottet jedem Vergleich mit ehrwürdigen alten Baumriesen. Diesem Problem soll nun auch auf genmanipulativem Wege abgeholfen werden. Die „grüne“ Gentechnik verspricht inzwischen nicht nur unermeßlich ertragreiche Energiepflanzensorten, sondern auch genmodifizierte Bäume, die sich als wahre CO2-Fresser entpuppen sollen. Angesichts dessen sind der Streit um Genmais oder Schweine-Patente nur Vorboten einer unabsehbaren Entwicklung.

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