© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

Die Torheit des Westens
Ohne den von Großbritannien und den USA 1953 initiierten Putsch gegen Mossadegh läßt sich die Gegenwart des Iran nicht erklären
Dirk Wolff-Simon

In der emotional aufgeheizten Debatte um die iranische Atompolitik werden in den westlichen Medien immer wieder die eklatanten Demokratiedefizite des Landes beklagt und eine harte Linie gegenüber Teheran eingefordert. Dabei übersieht man allzu leicht, daß sich die iranische Gesellschaft bereits vor über einem halben Jahrhundert demokratische Verkehrsformen auferlegt hat, die durch einen von Großbritannien und den USA inszenierten Militärputsch zunichte gemacht wurden.

Mit dieser Militärintervention machten die USA den Iran zum Gegenteil dessen, was sie eigentlich bekämpften. Stephan Kinzer führt dem Leser in seiner faktenreichen Darlegung der Ereignisse des Jahres 1953 vor Augen, daß der Iran zweifellos eine andere Entwicklung genommen hätte und dieser alten Kulturnation viele spätere Schicksalsschläge erspart geblieben wären, wenn dem Land dieser unkluge, wenngleich brillant inszenierte Militärputsch erspart geblieben wäre.

Dem bekannten US-Journalisten Kinzer ist es gelungen, kompakt und zugleich spannend die bislang in der deutschsprachigen Sachbuchliteratur existierende Lücke über den Putsch gegen Mohammed Mossadegh im Jahr 1953 zu schließen. Kinzer versteht es, in unpretentiöser Weise auch den mit der facettenreichen Geschichte des Landes nur mäßig informierten Leser in den Bann der politischen Verhältnisse des Iran zu Beginn der Epoche des Kalten Krieges zu ziehen. Faktenreich schildert er in dem von Brigitte Döbert sehr gut übersetzten Buch, wie aus vornehmlich wirtschaftlichen Interessen und aus dem erlittenen politischen Gesichtsverlust heraus der britische Premier Winston Churchill die USA nach der Wahl von Eisenhower zum US-Präsidenten zur Intervention zugunsten des Schahs drängte – mit den verheerenden Folgen, die bis in unsere Gegenwart nachwirken.

Neben der Schilderung der Ereignisse kommt auch die ausgewogene Würdigung der Person Mohammed Mossa­deghs nicht zu kurz. Dabei wird deutlich, daß die von ihm vorangetriebene Nationalisierung der iranischen Erdölförderung in erster Linie der dringend notwendigen Modernisierung der iranischen Gesellschaft dienen sollte; eine Entwicklung, die nur von innen heraus erfolgen und nicht von außen oktroyiert werden konnte.

Bis heute hat es der Westen nicht verstanden, daß der von Mossadegh betriebene Nationalismus nicht mit einer Ideologie gleichzusetzen war, die dem rechten oder linken Spektrum der Politik zugeordnet werden konnte, sondern vielmehr einem alles umfassenden, zumindest aber vielseitig ausdeutbaren Begriff entsprach. Wer die aktuelle Politik Irans verstehen will, muß die Ereignisse des Jahres 1953 und ihre Folgen kennen und sollte daher dieses Buch gelesen haben.

Stephan Kinzer: Im Dienste des Schah. CIA, MI6 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2009, gebunden, 318 Seiten, 19,95 Euro

Foto:  Der iranische Premierminister Mohammed Mossadegh (Mitte) 1951 in New York: Nationalisierung der Erdölförderung geplant

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