© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/09 24. April 2009

Gegen das Imperium
Anders als der gallische Führer Vercingetorix, der im Kampf gegen Rom unterlag, konnte Arminius dank besserer Taktik siegen
Adolf Frerk

Beide haben mit höchstem Einsatz für die Freiheit ihres Landes gegen die weit überlegenen Römer gekämpft; beide haben große Opfer gebracht, persönliche Freiheit und einen ehrenvollen Tod der eine, Verlust von Frau und Kind der andere; beide sind jung (26 bzw. 37 Jahre alt) und gewaltsam umgekommen, der eine von Henkershand, der andere durch Mord. Beide stehen am Anfang der Geschichte ihrer Nationen; beide erfuhren im 19. Jahrhundert nahezu mythische Verklärung. Doch während sich die vermeintlichen Nachfahren der Gallier weitgehend zu ihrem Helden bekennen und ihm gerade für 52 Millionen Euro eine Kultstätte in Alise Ste. Reine/Burgund errichten, ist das Verhältnis der echten Nachfahren der Germanen zu ihrem Vorkämpfer heute zwiespältig. Doch weshalb unterlag Vercingetorix, während Arminius etwa sechzig Jahre später Sieger blieb?

Als sich Vercingetorix, erst 20 Jahre alt, im Februar 52 v. Chr. an die Spitze des gallischen Aufstandes gegen die römischen Angriffskrieger stellt, jubelt ihm das Volk zu. Durch seine Herkunft vom hohen gallischen Adel ist er mit dem Waffenhandwerk vertraut; es wird neuerdings sogar vermutet, daß er als Reiterführer unter Cäsar gedient hat. Da das gallische Fußvolk Cäsars Legionen selbst in Überzahl unterlegen ist, muß Vercingetorix die offene Feldschlacht vermeiden und operiert offensiv nur mit der Adelsreiterei, die er nach und nach vollständig bis zu einer Zahl von 15.000 Reitern zu sich befiehlt. Mit ihr umschwärmt er die Legionen, um sie von Versorgung und Verbindungen abzuschneiden. Dennoch behält Cäsar die Initiative, die er erst im Frühsommer 52 verliert, als ein Handstreich auf die Stadt der Arverner, Gergovia, mißlingt. Die Römer ziehen sich schließlich unter dem Druck der Taktik der verbrannten Erde in östliche Richtung zu ihren Provinzen zurück. Vercingetorix gibt Befehl, ihre Kolonne auf dem Marsch zu zersprengen. Aber seine Reitermassen werden von Cäsars Reitern geschlagen.

Als er sich in das feste Alesia zurückzieht, schließt ihn Cäsar dort samt 70.000 Mann ein. Vercingetorix kann nicht verhindern, daß Cäsars zehn Legionen in fünf Wochen zwei Schanzringe von enormer Festigkeit anlegen, einen inneren gegen die Stadt und einen äußeren gegen das gallische Entsatzheer von 250.000 Mann. An diesen Werken rennen sich die Gallier die Köpfe ein. Vercingetorix muß Ende September 52 v. Chr. kapitulieren, geht in Gefangenschaft und wird 46 v. Chr. am Tag von Cäsars Triumphzug in Rom hingerichtet.

 Gut sechzig Jahre später ist aus dem Rom der sozialen Unruhen und der Bürgerkriege ein in sich gefestigtes Reich geworden. Augustus verfügt über 28 Legionen und die Hilfsmittel eines Imperiums. Von 12 v. Chr. bis 6 n. Chr. hat er alle Germanenstämme zwischen Rhein und Elbe unterwerfen können, ausgenommen die Markomannen unter König Marobodus in Böhmen. Statthalter in Germanien und Oberbefehlshaber über fünf Legionen ist Publius Quinctilius Varus, ein bewährter und loyaler Mann.

Arminius, Sohn des Sigimerus, „ein junger Mann aus vornehmem Geschlecht, tüchtig im Kampf und rasch in seinem Denken, ein beweglicherer Geist als es Barbaren gewöhnlich sind“ (Velleius Paterculus), war 25jährig aus römischen Kriegsdiensten im Besitz des Bürgerrechts und des Ritterranges heimgekehrt. Er organisiert den Aufstand gegen Rom, ohne daß Varus Verdacht schöpft.

Der Schlag gelingt, die Römerherrschaft auf dem rechten Rheinufer bricht letztlich völlig zusammen. Arminius weiß aber, daß der Krieg nicht beendet ist. Den Verlust einer Provinz, von drei Legionen und drei Adlern werden die Römer nicht hinnehmen. Als der alte Kaiser im August 14 n. Chr. stirbt, flammt der Konflikt sofort auf. Im Jahr 15 n. Chr. dringen Germanicus, Feldherr und Neffe des Tiberius, und sein Unterfeldherr Caecina mit acht Legionen tief in Germanien ein. Zu einem entscheidenden Gefecht läßt es Arminius aber nicht kommen. Die vier Legionen des Caecina geraten auf dem Rückmarsch durch ein Moorgebiet in einen verlustreichen Hinterhalt des Arminius. Zwei der Legionen des Germanicus werden auf dem Marsch an der Nordseeküste entlang von einer Springflut dezimiert.

Im Jahr 16 n. Chr. rücken die Römer mit 80.000 Mann an und siegen in zwei größeren Schlachten, doch die Cherusker unterwerfen sich nicht. Auf der Rückfahrt gerät die römische Flotte, die den Hauptteil der Legionen aufgenommen hat, auf der Nordsee in einen heftigen Sturm und erleidet solche Verluste, daß Germanicus wegen der „so großen Katastrophe“ Selbstmord begehen will. Damit ist die Geduld des Tiberius erschöpft, er ruft Germanicus zurück, billigt ihm aber wegen der zwei wiedergewonnenen Adler einen Triumphzug zu. Die Offensive gegen Germanien stellt er endgültig ein. Die Leistung des Arminius dürfte mehr noch als im vielgerühmten Sieg über die Legionen des Varus im erfolgreichen Widerstand gegen die geballte Kraft eines Weltreichs liegen.

Foto:  Lionel Royer, Vercingetorix legt seine Waffen Cäsar zu Füßen, 1899: Mythische Verklärung

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