© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/09 01. Mai 2009

Der Gartenfreund
In Berlin sind Emil Noldes Blumenprachten zu bewundern
Fabian Schmidt-Ahmad

Seit 2007 hat sich in Berlin mit der Dependance der Nolde-Stiftung Seebüll ein neuer Anziehungspunkt für Kunstfreunde etabliert. Emil Nolde (1867–1956), der kurzzeitig Mitglied der expressionistischen Künstlervereinigung Brücke war,  pflegte eine enge Beziehung zu Berlin. Regelmäßig verbrachte er die Winter in der deutschen Hauptstadt, die ihm die vielfältigsten Anregungen und Motive bot. Über viele Jahre hielt sich das Ehepaar Nolde hier eine Wohnung, bis 1944 eine Brandbombe das Atelier vernichtete.

Noldes Wunsch, daß seine Arbeiten dauerhaft auch in Berlin zu sehen sein mögen, hat sich nun erfüllt. Jährlich finden drei Sonderausstellungen zu verschiedenen Themen statt, gespeist aus den Seebüller Nolde-Beständen. Die aktuelle Ausstellung trägt den Titel „Emil Nolde: Mein Garten voller Blumen“. Dazu zeigt eine kleine Kabinettausstellung frühe Farblithographien von 1913, als er in einer kleinen Lithographiewerkstatt in Flensburg mit dieser Technik experimentierte.

Nolde empfand sein Leben lang ein inniges Verhältnis zu der von den Gezeiten bestimmten Nordsee und zur herben, immer windbewegten nordfriesischen Landschaft mit ihrem hohen Himmel. Seinen Geburtsnamen Hansen ersetzte er durch den Namen des Heimatdorfes Nolde. In seinem Gemälde „Herbstglühen“ von 1925 kämpfen die herbstlich gefärbten Bäume, windgepeitscht unter dramatisch dunklem Himmel, gegen die Naturgewalten. Diese Landschaft ist beseelt von Naturkräften, die im Sturm und den treibenden Wolken atmen, die durch die leuchtende Pracht der Herbstblumen sprechen, die bald, vielleicht schon morgen, sterben und doch im nächsten Jahr wieder da sein werden. Wie sehr berührt diese großartige Schönheit im Angesicht ihrer Vergänglichkeit! Hier wachsen wir über uns hinaus und verbinden uns mit dem ewigen Werden und Vergehen.

Wo immer Nolde sich niederließ, legte er Gärten an. Seine ersten Blumen- und Gartenbilder entstanden 1906, als er mit seiner Frau Ada für einige Jahre auf der dänischen Ostseeinsel Alsen lebte.

Noch ganz dem Impressionismus verpflichtet, sind die Bilder mit bewegtem heftigem Pinselschlag ausgeführt. Etwas nervös und farblich zu wenig akzentuiert wirken sie, aber doch kraftvoll. Man spürt: Nolde ist auf der Suche. Er  skizziert, er malt draußen im Garten und setzt die Arbeit im Atelier fort. Tief beglückt von der Schönheit des Lebens kann Nolde sich innig freuen über jedes Bild, jedes Aquarell, das er vollendet.

So findet er seinen Weg zur Farbe, die glühen und leuchten kann besonders in der beginnenden Dämmerung. Die Formen werden einfacher und gegliederter. 1922 entsteht der „Blumengarten (O)“. Der vertikale, leuchtend blaue Rittersporn strukturiert das Bild. Gelb und rot strahlende Blumen leiten in das üppige Blumenrondell über. Es ist eine Hymne an die Schönheit und die Kraft des Lebendigen und Ursprünglichen.

1927 baut sich Nolde auf der Warft von Seebüll dicht an der dänischen Grenze ein großes Atelierhaus. Hier entsteht sein prachtvoller Blumengarten mit den ursprünglichen Bauernblumen, die Nolde so liebte: Rittersporn, Dahlien, Sonnenhut und Sonnenblumen, leuchtender Mohn.

Viele seiner Bilder entstanden hier, und es scheint schicksalhaft, daß Nolde ausgerechnet in seinem Garten schwer stürzte. Danach gab er die Ölmalerei auf. Bis zu seinem Tod im April 1956 arbeitete er aber weiter an seinen geliebten Blumen­aquarellen. Nolde sagte einmal: „Ich will so gern, daß mein Werk aus dem Material herauswachse. Ganz so wie in der Natur die Pflanzen.“ Und: „Von dieser Schönheit möchte ich so gern etwas geben.“ Das ist ihm gelungen.     

Die Nolde-Ausstellungen „Mein Garten voller Blumen“ und „Farblithographien 1913 “ sind bis zum 14. Juni in der Nolde-Stiftung Seebüll, Dependance Berlin, Jägerstraße 55, täglich von 10 bis 19 Uhr zu sehen.

Die gleichnamigen Ausstellungskataloge sind bei Dumont erschienen und kosten 29,95 Euro beziehungsweise 19,95 Euro.

Foto:  E. Nolde, Blumengarten (O), 1922: Hymne an die Schönheit

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