© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Frisch gepresst

Geschichtsbilder. Nachdem die Schülerin Hülya mit ihren Schwestern den Film über den Holocaust angesehen hat, hat sie – „oberkraß“ – erst einmal „Haß empfunden“. „Ich habe die Leute auf der Straße nur so angeguckt, ich hätt’ auf die kotzen können, ja. Da war ich froh, daß ich nicht dazugehöre, daß ich Türkin bin.“ In dem von Viola B. Georgi und Rainer Ohliger herausgegebenen Sammelband soll das „Historische Bewußtsein Jugendlicher in der Einwanderungsgesellschaft“   (Crossover Geschichte. Edition Körber Stiftung, Hamburg 2009, broschiert, 253 Seiten, 16 Euro) analysiert werden. Doch Antworten sind nicht so schnell parat. Ebenso wie Hülya, deren historische Identität sich spätestens in den Schattenlagen schnell jedes deutschen Faktors entledigt, entwickeln die Migrantensöhne und -töchter „unterschiedliche Geschichtsbilder“ und wollen das historische deutsche Erbe nicht eins zu eins annehmen, „das Kaleidoskop der historischen Betrachtung wird bunter“, wie die Herausgeberin anführt. Das führt natürlich zu Verwerfungen der nationalen Erinnerungskultur, die gerade in der Ausrichtung auf Auschwitz nur schwer vermittelbar ist. Damit die exemplarisch aufgeführte Reaktion von Bülent zur Regel wird, der sich erst nach dem KZ-Besuch „reindeutsch“ fühlt, steht für Georgis Zunft – ihre eigenen Arbeitsschwerpunkte sind Demokratiepädagogik und „Holocaust Education“ – noch manche Überstunde an.

 

Konversionen. Mit einem Gang zum Standesamt und der Änderung des Steuerkarteneintrags von ev. zu rk. ist es nicht getan, um dem Kriterium gerecht zu werden, welches Georg Alois Oblinger an einen Konvertiten stellt: „Nur wer einer tieferen Wahrheitserkenntnis folgt, ist auch ein Konvertit“, stellt er seiner interessanten Sammlung bedeutender Konvertiten der letzten zweitausend Jahre voran. Angefangen bei der Sünderin Maria Magdalena und dem Apostel Paulus, deren Konversionen zum bibelkundigen Einmaleins zählen, beschreibt Oblinger die Sinnumkehr von Ignatius von Loyola, Gilbert Keith Chesterton oder Jules Barbey d‘Aurevilly. Daß auch Alfred Döblin, Werner Bergengruen oder Ernst Jünger in dieser Reihung auftauchen, dürfte vielen dann schon weniger selbstverständlich erscheinen. Insbesondere bei Konservativen – Beispiele sind Caspar von Schrenck-Notzing, Christa Meves oder Gabriele Kuby – macht Oblinger in ihrem Kampf gegen den Relativismus das Bedürfnis nach einem starken geistigen Alliierten aus, der nur in Rom zu finden sei. Auch deswegen befinden sich im Porträtreigen des katholischen Geistlichen aus dem Bistum Augsburg logischerweise keine Konvertiten, die in anderen Religionen ihr Heil suchten (Gesucht – gefunden. Bedeutende Konversionen. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2009, gebunden, 128 Seiten, 9,95 Euro).

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