© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/09 08. Mai 2009

Eurovision Song Contest 2009: Party mit „Düm Tek Tek“ und „Miss Kiss Kiss Bang“
Hauptsache, die Frisur sitzt
Curd-Torsten Weick

Die gute Nachricht zuerst. Taft ist offizieller „Hairstyling“-Partner beim 54. Eurovision Song Contest“ in Moskau. Deutschland, besser, die Firma Schwarzkopf & Henkel steht also ganz oben auf dem Treppchen. Zumindest wenn es um die Haarkosmetik geht, sind wir also Spitze – im Gegensatz zu manchen deutschen Stars, die in den letzten Jahren nicht über die Plätze 24 (Gracia), 15 (Texas Lightning), 19 (Roger Cicero) und 23 (No Angels) hinauskamen. Welch Glück, daß „Germany“ als Geldgeber immer für das Finale gesetzt ist.

Doch noch ist Hopfen und Malz nicht verloren. Positive Signale gibt es genug. Deutschlands Vertreter Oscar Loya, kalifornischer Sänger im Duo Alex Swings Oscar Sings!, trifft die Töne weitaus besser als die Mädels von No Angels, der Titel „Miss Kiss Kiss Bang“ bringt positive Stimmung in harten Zeiten, und der Auftritt der US-Strip-Tänzerin Dita von Teese setzt Akzente, die die Jurys für „Deutschland“ erwärmen könnten. Die Frage ist nur, ob der fröhliche „he-de hi-ho, he-de hi hey“-Swing mit Dita im Vierziger-Jahre-„Kostüm“ bei den Osteuropäern ankommt. Roger Cicero swingte 2007 auch. Schlimmer noch Texas Lightning, die 2006 – Bush ließ grüßen – doch tatsächlich im Cowboydreß auftraten.

2006 ist jedoch Geschichte, der „böse“ Bush ebenso. Man darf also gespannt sein, ob in Moskau – frei nach dem Motto „Yes, we can“ – endlich Schluß ist mit dem Nachbarschafts-Bruderkuß-„Community“-„Voting“. Der Umstand, daß neuerdings neben den „Televotern“ auch nationale Jurys mitentscheiden, läßt auf Veränderungen hoffen. Ob aber die deutsche Jury, bestehend aus H.P. Baxxter (Scooter), Jeanette Biedermann („Schlagerkönigin“), Guildo Horn („Retter des deutschen Schlagers“) Sylvia Kollek, (Musikexpertin) und Tobias Künzel (Die Prinzen), dem türkischen Beitrag wieder 12 oder 10 Punkte zukommen läßt, bleibt offen.

Das Zeug dazu hätte die belgisch-türkische Sängerin Hadise mit ihrem an Shakira erinnernden „Düm Tek Tek“. Dies und der passende Hüftschwung sorgen nicht nur für gute Stimmung – zu sexy und freizügig, hört man aus der Türkei.

Sexy? Freizügig? Das gehört doch zum Geschäft. Elena aus Rumänien, Svetlana „Lack und Leder“ Loboda (Ukraine) oder Anastasija (Rußland) vereinen beides. Muß also nur noch der Gesang stimmen. Der stimmte bei Anastasija, doch sie verhedderte sich im Zwist zwischen Tiflis und Moskau, sang beim ukrainischen Vorentscheid auf russisch, wurde disqualifiziert, in Rußland nachnominiert und gewann – diesmal auf russisch und ukrainisch singend –zum Entsetzen vieler Russen.

Weniger Glück hatte dagegen Georgien. Stefane & 3G wollten mit ihrem Titel „We Don‘t Wanna Put In“ in Moskau punkten. Doch der Schuß ging nach hinten los. Moskau sah Putin verunglimpft, und die European Broadcasting Union lehnte den Beitrag ab. Entsetzt verzichtete Tiflis und begnügt sich nun mit der Zuschauerrolle.

Die kann aber auch sehr prickelnd sein. Denn abgesehen von ein paar Nullnummern hat Moskau 2009 gute Unterhaltung zu bieten. Ob die schwedische Opernsängerin Malena Ernman auf den Spuren von Nightwish wandelt, Bosniens Regina die roten Fahnen schwingen, Brinck mit seinem starken „Believe Again“ für Dänemark rockt oder die Serben Marko Kon & Milan den Balkan-Beat mit viel Esprit auf den Punkt bringen – abseits der Punktevergabe ist der Wettstreit wieder ein unterhaltsamer Einblick in die Seelen Eurasiens.

Wobei wir auch schon bei der schlechten Nachricht wären. Denn wenn es um die Ausstrahlung geht, sitzt das Publikum nicht in der ersten Reihe. Das erste Halbfinale wird am Dienstag (12. Mai, 21 Uhr) live auf Phoenix übertragen, das zweite weitaus interessantere Halbfinale (14. Mai) zeitversetzt (23 Uhr) im NDR. Wenn man bedenkt, daß gerade in den Halbfinalen die Besten mittels „Nachbarschafts-Voting“ herausgekegelt werden, ist das Finale (16. Mai, 20.15 Uhr, ARD) oft unterbesetzt. Egal – Hauptsache, die Frisur sitzt.

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