© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/09 15. Mai 2009

Küßchen hier und Küßchen da
Ein Friseur als Welterklärer: So steht es um das geistige Niveau in Partymeister Wowereits Berlin
Ronald Berthold

Seine Internetseite beginnt gleich im ersten Satz mit einer fetten Untertreibung: „Udo Walz ist Friseur – nicht mehr und nicht weniger“, heißt es da. Richtig ist: In der armseligen Spaßgesellschaft rund um den Berliner Partymeister Klaus Wowereit hat es ein Haarschneider geschafft, zu einer in allen Fragen anerkannten Persönlichkeit aufzusteigen. Er redet viel, die Substanz liegt bei Null. Walz ist das Symbol für den beklagenswerten Zustand der Hauptstadtgesellschaft, in der peinliche Typen wie er oder Desiree Nick den Ton angeben.

Der Mann ist schwul, was als Coiffeur der internationalen Spitzenklasse gewissermaßen die gängige sexuelle Disposition ist. Als Heterosexueller wäre er in seinem Job langweilig. B- und C-Promis wie Barbara Becker könnten sich einen Friseur, der auf Frauen steht, imagemäßig gar nicht leisten: Nein, wie unmodern. Aus dieser linken Spießigkeit erklärt sich auch die Nähe, die allerlei Künstlervolk zu Wowereit sucht. Ein bekennender Homosexueller als Stadtoberhaupt – das ist für dieses juste milieu ein Wert an sich. Küßchen hier und Küßchen da mit dem schwulen Bürgermeister – da ist man wer.

Bevor die bedauernswerte Entourage gemeinsam mit Wowereit Sekt aus Pumps schlürfen geht, pilgert sie nach Berlin an den Kurfürstendamm, um sich den Kopf neu tunen zu lassen. Ob der Mann mit Schere und Kamm überhaupt so gut umgehen kann, wie alle zu wissen glauben, das weiß man nicht so recht. Aber das ist auch gar nicht so wichtig. Entscheidender ist die Autosuggestion, die eigene Bedeutung steige, sitzt man bei Walz erst einmal unter dem Fön.

Nicht der Charakter, sondern der ihr zugeschriebene Stellenwert einer Person sind in der Bussi-Bussi-Gesellschaft das zentrale Kriterium für sogenannte Freundschaft. Walz hält daher auch nicht viel von der These, man könne nur zwei, drei wirklich gute Freunde im Leben haben. Er glaubt, daß er „etwa 30 gute Freunde“ hat, auf die er bauen kann – und das natürlich „weltweit“. Eine Nummer kleiner geht es beim besten Willen nicht.

So wird Walz allseits gnadenlos zum A-Promi hochgejubelt – und beteiligt sich daran auch kräftig selbst: „Inzwischen so berühmt wie seine Kunden aus aller Welt, längst eine Berliner Institution“, heißt es auf seiner Netzseite. Danach fallen Namen wie Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Marlene Dietrich, Cathérine Deneuve, Placido Domingo, Romy Schneider, Wolfgang Joop, Maria Callas, Helen Schneider, Sydney Rome, Demi Moore und Jodi Foster. Im Jahr 1970, so streut er gern ein, war – welch wohliger Grusel – sogar die Terroristin Ulrike Meinhof seine Kundin.

Nicht gerade unbescheiden, dieser Mann, der bei seiner Gesellenprüfung unter 600 Lehrlingen einst den 598. Platz belegte. Nur zwei künftige Friseure schnitten damals noch schlechter ab als der heutige Maestro. Aber auch die Offenbarung dieses Details dient voll und ganz der Imagepflege nach dem Motto: vom Tellerwäscher zum Millionär. Oder: Auch Einstein hatte eine schlechte Zensur in Mathematik. Zur Wahrheit gehört ebenso, daß es der Berliner Star-Friseur nicht einmal gepackt hat, eine Meisterprüfung abzulegen. Er arbeitet bis heute lediglich mit einer Ausnahmegenehmigung.

All das stellt natürlich jedoch keinesfalls seine Qualifikation in Frage. Es soll vielmehr zeigen, wie sich diese Kämpfernatur hochgearbeitet hat; wie weit sie es auf der Karriereleiter gebracht hat. Kein roter Teppich, auf dem Walz heute nicht schreiten darf, kein Fernsehsender, der ihm in wichtigen und beliebigen Fragen nicht ein Mikrofon unter die bebrillte Nase hält. Kein Blatt, das den Friseur nicht am nächsten Tag im Bild zeigt. Und vor allem, absolut niemand, der schlecht über den Mann spricht. Das soll hier nachgeholt werden.

Denn der Vorzeige-Promi entwickelt sich für Bürger mit Bildung zielsicher zur Nervensäge. Er ist omnipräsent. Der Berliner Rundfunk strahlt neuerdings in seiner Morgensendung eine tägliche Rubrik mit dem bedeutungsschweren Namen „Darüber spricht Berlin“ aus. Dann meldet sich Walz via Telefon und erklärt den Hörern die globale Lage – was diese vom Papst und Kondomen zu halten haben oder wie Radio-Moderator Thomas Koschwitz am besten seine Glatze polieren sollte („mit Eigelb, Rizinus und Cognac“). Die Sätze kommen so banal wie ungelenk daher. In diesem Zusammenhang stolpert selbst ein Hartgesottener ein wenig über Walz’ Selbstbeschreibung im Internet: „Er weiß so vieles – und läßt es nicht heraus.“ Man möchte den Satz umdrehen: Er weiß so wenig und läßt viel zuviel heraus.

Er sei gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, erklärte er im Fernsehen, Heiraten habe „ja auch mit Kindern und mit Fortpflanzung zu tun“ – um dann seinen Lebensgefährten Carsten zu ehelichen. Nachwuchs haben sie in Form ihres Hundes Oskar. Walz bezeichnet sich entlarvend als einen „kleinen Sonnenkönig“. Und wie ein Monarch spricht er denn auch – von sich selbst am liebsten in der dritten Person. Und dann kommen Details ans Licht, die eigentlich niemand wissen will. Zum Beispiel: Udo Walz haßt das Küssen.

Ein Friseur als Welterklärer. Das ist das gesellschaftliche und geistige Niveau, das die Wowi-Stadt inzwischen erreicht hat. Nicht wenige wünschen sich Brigitte Mira und Harald Juhnke zurück. Da galt noch Herz mit Schnauze – nicht einmal im Suff faselte der Entertainer so sinnfrei daher wie der Friseur nüchtern.

Im Juli dieses Jahres nun wird Udo Walz 65. Doch auf seinen Ruhestand darf man nicht hoffen. Der Starfriseur wird gebraucht, er gehört dazu. Seine Hochzeit mit dem 26 Jahre jüngeren Carsten Thamm im vergangenen Sommer war ein Medienereignis höchsten Ranges. Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel trat als Trauzeugin auf. Und selbst seriöse Zeitungen überschlugen sich förmlich, berichteten in epischer Länge. Wie wenig Distanz dabei zum Friseur der Nation gehalten wird, bewies Die Welt. Die extrem lange Huldigung schrieb praktischerweise gleich Walz-Ghostwriter Joachim Bessing, der dem Friseur dessen Buch „Mein Berlin“ formuliert hatte.

Walz ist wie so viele neue Berliner aus Schwaben zugezogen. Als Sohn eines Lkw-Fahrers stammt er aus dem Kaff Waiblingen und kam nach eigenen Angaben in die damals geteilte Stadt, um sich vor der Bundeswehr zu drücken. Seit vier Jahren ist er nun Mitglied der Hauptstadt-CDU, die sich über den prominenten Zugang freut, wo dem Friseur doch alle eine Nähe zu Wowereit nachsagten. Walz scheint ein Mann voller Widersprüche zu sein. Einfacher ist wohl die Erklärung, daß er alle politischen Lager abdecken will – wie der Mann aus der Provinz eben überall dabeisein muß.

Foto: Nervensägen Udo Walz und Desiree Nick: Nicht mal im Suff faselte Harald Juhnke so sinnfrei daher wie der Haarschneider nüchtern

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