© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/09 15. Mai 2009

Frisch gepresst

Ostpreußen. Christian Papendick ist Königsberger des Jahrgangs 1926. In Begleitung seiner Eltern hätte er also – mit der unvergleichlichen Sybille Schmitz in der Hauptrolle – Frank Wysbars „Fährmann Maria“ besuchen dürfen, der 1936 in die Kinos kam. Wenn nicht damals, dann gewiß irgendwann später, denn es ist unverkennbar der „magische Realismus“ von Wysbars Kameramann Franz Weihmayr, dem Papendicks Kunst der Landschaftsfotografie kongenial verpflichtet ist. Nach opulenten Bildbänden über Sylt und über die Kurische Nehrung (JF 8/07) legt er nun sein zwei Kilo schweres Prachtwerk „Der Norden Ostpreußens“ vor (Land zwischen Zerfall und Hoffnung. Eine Bilddokumentation, Husum Verlag, Husum 2009, gebunden, 488 Seiten, etwa 2.000 Fotos, 59 Euro). Quantitativ kann sich ohnehin keines der nach 1945 publizierten Fotobücher mit „dem Papendick“ messen, und qualitativ halten wohl nur die frühen, um 1940 entstandenen, aber erst 1982 veröffentlichten, ebenfalls magischen, „stereoskopisch“ (Ernst Jünger) wahrnehmenden Farbfotografien des Königsberger Kunstprofessors Wilhelm Heise einen Vergleich aus. Von großer Kennerschaft zeugen Papendicks Bildtexte, die leider oft genug nur im Wort präsentieren können, daß die abgelichteten Steinhaufen einmal Kirchen, Gutshäuser, Hotels oder gar „Erinnerungsorte“ waren – wie etwa die Reste von Lovis Corinths Elternhaus in Tapiau, das zwei Weltkriege überstand, nicht aber die abgrundtiefe Oblomoverei sowjetrussischer Verwaltung, die das nördliche Ostpreußen dem „Zerfall“ preisgab.

 

Migration im Südwesten. Als Journalist sieht der Integrationsbeauftrage des SWR, Karl-Heinz Meier-Braun, die Medien und Politik in gemeinsamer Verantwortung, der Bevölkerung das Thema Einwanderung „nahezubringen“. Diesem Ziel scheint auch sein zusammen mit Reinhold Weber, Zeithistoriker bei der Landeszentrale für politische Bildung, herausgegebenes Bändchen über die „Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg“ (DRW-Verlag Weinbrenner, Leinfelden-Echterdingen 2009, gebunden, 190 Seiten, 16,90 Euro) gewidmet zu sein. Mit dem etwas kitschigen Verweis auf die romanischen Einflüsse in der Architektur oder die Verwandtschaft von Spätzle mit den italienischen „spezzati“ versucht Meier-Braun – ähnlich dem Migrationswissenschaftler Klaus Bade – die ausländische Masseneinwanderung nach 1945 in eine jahrhundertealte Kontinuität verschiedenster Migrationen einzureihen, als ob es zwischen sudetendeutschen Vertriebenen oder Glaubensflüchtlingen der Frühen Neuzeit keine Unterschiede gäbe, solange man immer schön das Bekenntnis zur „Einwanderungsgesellschaft“ hochhält.

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