© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/09 15. Mai 2009

Sind wir ein Volk?: Dokumentation über den schwierigen Weg der Einheit
„Da kannste mal sehen, wie früher“
Christian Dorn

Der Palast der Republik in Berlin-Mitte ist verschwunden. Gerade durch die temporäre Leerstelle, die das einstmalige „Haus des Volkes“ (Erich Honecker) hinterläßt, verkörpert er auf paradoxe Weise die Botschaft der einstigen DDR-Hymne, die ab 1970 nicht mehr offiziell gesungen wurde, war doch in Bechers Zeilen vom „einig Vaterland“ die Rede. Nachdem nun auch die letzten Palast-Ruinen abgeräumt sind, wird hier „der Zukunft zugewandt“ die alte Hohenzollernresidenz des Stadtschlosses auferstehen. Die Stahlträger der einstigen DDR-Ruine hingegen werden eingeschmolzen und neu verbaut im höchsten Gebäude der Welt in Dubai. Das ist Globalisierung.

Wie aber steht es indes mit der Einheit? Nie war in den letzten 20 Jahren die Zustimmungsrate der „Ostdeutschen“ zur Wiedervereinigung so gering wie heute. Zwei Drittel von ihnen sehen sich laut Umfrage als Verlierer.

Der Filmemacher Jan Peter porträtiert Menschen des anderen Drittels, so den Gastwirt Olaf Micheel aus Trinwillershagen, der für George W. Bush das „Hochsicherheits“-Wildschwein“ schoß. Viele im Ort waren erbost, Bush solle sich zum Teufel scheren. Als der Präsident aber da war, erinnert sich Micheel, standen sie alle an der Straße und jubelten. Der Gastgeber trocken: „Da kannste mal sehen, wie früher.“ Einen Skandal, der nahezu sprachlos macht, bringt der Forscher Bertram Nickolay (Foto) vom Fraunhofer-Institut zur Sprache. Bereits vor zehn Jahren hat er mit seinen Mitarbeitern ein Verfahren entwickelt, das es erlaubt, die kleinteilig zerrissenen Stasi-Akten maschinell zusammenzusetzen. Erst aufgrund öffentlichen Drucks, ausgelöst durch eine Pressekonferenz, wurde sein Verfahren Ende 2008 erstmals eingesetzt. Aber als er die ersten Säcke entgegennahm, fand er zu seiner unangenehmen Überraschung nicht nur Schnipsel, sondern auch viel Müll.

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